Sie werden geschupst, bespuckt und getreten: Für Journalisten ist es zunehmend riskant, über politische Demonstrationen und vor allem den Krieg in Nahost zu berichten, heißt es in einem RSF-Bericht.Im vergangenen Jahr hat die Nichtregierungsorganisation Reporter ohne Grenzen (RSF) in Deutschland 89 Angriffe auf Medienschaffende und Redaktionen gezählt. Das geht aus dem Bericht “Nahaufnahme: RSF-Report zur Lage der Pressefreiheit in Deutschland” hervor, der am Dienstag veröffentlicht wurde. Damit hat sich die Zahl im Vergleich zu 2023 mehr als verdoppelt.Demnach gab es 40 verifizierbare Fälle, in denen Journalisten sowie Ausrüstung geschlagen, getreten oder brutal geschubst wurden. In vier Fällen wurden Personen mit einem Gegenstand geschlagen und elf Mal angespuckt. 14 Angriffe gab es auf Wohngebäude oder Redaktionsräume. Darüber hinaus wurden Journalisten in die Genitalien getreten, mit Eiern oder Kaffeebechern beworfen oder mit Pfefferspray attackiert.Im Jahr 2023 lag die Zahl noch bei 41 Fällen. 2024 war damit nach dem Rekordjahr 2022 das Jahr mit den zweitmeisten Angriffen, seit RSF die Zahlen 2015 erstmals veröffentlicht hat. Die Organisation geht von einer hohen Dunkelziffer aus. In die Statistik fließen nur solche Vorfälle ein, die sich eindeutig belegen lassen. Mehr als die Hälfte der Angriffe ereignete sich in Berlin (49), gefolgt von Bayern und Sachsen mit jeweils acht Vorfällen. 66 der 89 Attacken fanden im Rahmen von politischen Demonstrationen statt, davon 38 bei Protesten im Zusammenhang mit dem Krieg in Nahost.Der “Bild”-Reporter Iman Sefati und der Fotojournalist Yalcin Askin, die häufig gemeinsam von propalästinensischen Demonstrationen in Berlin berichten, wurden 29 Mal von Teilnehmern angegriffen. Damit entfallen knapp 40 Prozent aller Attacken auf die beiden Journalisten. Zahlreiche andere Redaktionen haben RSF zufolge ebenfalls eine pressefeindliche Stimmung bis hin zu Morddrohungen bei Veranstaltungen im Nahost-Kontext beklagt.Laut Bericht gingen auch Museumsmitarbeiter oder Sicherheitskräfte Reporter körperlich an, wenn diese schwerpunktmäßig über die Auswirkungen des Krieges auf die palästinensische Zivilbevölkerung berichtet hätten. Sechs Fälle von Polizeigewalt gegen Journalisten konnten von RSF verifiziert werden, darunter ebenfalls vier im Nahost-Kontext. 21 gewalttätige Angriffe wurden dem rechtsextremen Spektrum zugeschrieben.Auch abseits körperlicher Angriffe hat die Organisation in ihrem Bericht auf zahlreiche Risiken für die Pressefreiheit in Deutschland hingewiesen. Seit der Corona-Pandemie beobachte man eine gesellschaftliche Entwicklung, in der viele Bürger Journalisten, die nicht ihrem eigenen ideologischen Spektrum entstammten, als Gegner ansähen.Das betreffe wiederum vor allem das Thema Nahost. In 60 qualitativen Interviews mit Medienschaffenden aus verschiedenen Redaktionen haben laut RSF viele Journalisten von außergewöhnlichen Belastungen und Druck berichtet – vor allem solche, die sich kritisch mit der israelischen Kriegsführung befassen. Wer zu jüdischem Leben arbeite, sehe sich einem erhöhten Maß an Anfeindungen und Hetze im Netz ausgesetzt.Auch Auslandskorrespondenten berichteten von langwierigen Aushandlungsprozessen über die Glaubwürdigkeit palästinensischer und internationaler Quellen; freie Journalisten von einer großen Zurückhaltung in Redaktionen, das Thema Nahost überhaupt aufzugreifen. Journalisten mehrerer Medienhäuser haben angegeben, dass die israelische Botschaft in Deutschland häufig mit Beschwerden auf Berichterstattung reagiere.The post Journalisten werden zu Gegnern – Angriffe 2024 mehr als verdoppelt appeared first on Evangelische Zeitung.