Von Gleb ProstakowDie Verhandlungen zur Erreichung des Friedens oder zumindest eines Waffenstillstands in der Ukraine scheinen endgültig in eine Sackgasse geraten zu sein. Das Rendezvous in Istanbul, das einst zaghafte Hoffnungen weckte, hat sich in eine Plattform für die Erörterung rein humanitärer Fragen verwandelt – den Austausch von Gefangenen und Gefallenen. Man hat das starke Gefühl, dass weder Moskau noch Kiew heute an einem echten Waffenstillstand interessiert sind. Jede der Parteien zieht es – aus jeweils eigenen Gründen – vor, ein Spiel fortzusetzen, bei dem bereits mehr auf dem Spiel steht, als man sich vorstellen kann.Die derzeitigen Aktivitäten auf der Verhandlungsschiene, wenn man sie denn so nennen kann, werden größtenteils durchgeführt, um ein bestimmtes Publikum in der Person von Donald Trump zufriedenzustellen. Der US-Präsident hat erkannt, dass ein schnelles Ergebnis in der Ukraine-Frage nicht zu erreichen ist, und wird nicht müde, zu verlautbaren, dass seine Geduld am Ende sei. Es handelt sich um eine Art rituellen Tanz, der eine gewisse Dynamik demonstrieren soll, während die wirklichen Entscheidungen auf dem Schlachtfeld und in Büros fern des Bosporus getroffen werden.Moskau macht aus seiner Skepsis keinen Hehl: Dmitri Peskow, der Pressesprecher des russischen Präsidenten, erklärt offen, dass man keine großen Erwartungen in den Verhandlungsprozess setzen sollte. Der Kreml demonstriert seine Bereitschaft zum Dialog, aber zu seinen eigenen Bedingungen, die Kiew und seine westlichen Gönner als vorsätzlich inakzeptabel betrachten. Die ukrainische Seite ihrerseits kann, selbst wenn sie die Forderung nach den "Grenzen von 1991" vergisst, den Maximalforderungen Moskaus nicht zustimmen, zu denen der Rückzug der ukrainischen Streitkräfte aus den nicht von Moskau kontrollierten Teilen der Regionen Donezk, Cherson und Saporoschje gehört. Dies würde nämlich das sofortige Ende des Selenskij-Regimes bedeuten.In der Zwischenzeit setzen die russischen Streitkräfte ihren methodischen Vormarsch nach Westen fort und holen ein Dorf nach dem anderen für Russland zurück, auch wenn diese Ortschaften keine bekannten Städtenamen haben. Die ukrainische Front ist jedoch noch nicht zusammengebrochen, und genährt durch westliche Versprechungen glaubt Selenskijs Team aufrichtig, dass sie überhaupt nicht zusammenbrechen wird.In dieser Pattsituation zeichnen sich immer deutlicher die Konturen eines großen geopolitischen Spiels ab, bei dem der Verhandlungsprozess selbst wichtiger wird als das Ergebnis. Die Vereinigten Staaten scheinen nur nach einem plausiblen Vorwand zu suchen, um sich offiziell aus dem Verhandlungsformat zurückzuziehen, das für sie immer uninteressanter wird. Es ist symptomatisch, dass der neue US-Verteidigungsminister Pete Hegseth zum ersten Mal nicht nur nicht an dem nächsten Treffen im Ramstein-Format teilnimmt, sondern es nicht einmal mit seiner Anwesenheit per Videoschaltung würdigt. Washington macht damit deutlich: Die Prioritäten der USA verschieben sich.Anstelle direkter Hilfen setzen die US-Amerikaner zunehmend auf die kommerzielle Schiene und bieten Europa und der Ukraine Waffen zu Marktpreisen oder im Rahmen des "Ressourcen-Deals" an. Kiew Geld zu leihen, ist jedoch eine Wagniskapitalinvestition mit den höchsten Risiken. Die jüngste Weigerung Kiews, Zahlungen an die Inhaber von an das BIP-Wachstum des Landes gekoppelten VRI-Anleihen zu leisten – was faktisch einen Zahlungsausfall bedeutet – bestätigt dies anschaulich. Das ukrainische Finanzsystem platzt aus allen Nähten, und niemand wird diese Löcher ständig flicken.Vor diesem Hintergrund können wesentlich härtere Szenarien nicht ausgeschlossen werden. Der ukrainische Terroranschlag auf Russlands strategische atomare Luftstreitkräfte fügt der militärischen Gleichung keine neuen Komponenten hinzu, aber er ist eine gewaltige Provokation, die Russland das moralische Recht auf eine äußerst harte Antwort gibt, bis hin zum Einsatz taktischer Atomwaffen. Und selbst wenn die Vereinigten Staaten dann alle verbleibenden "Höllenfeuer"-Sanktionen gegen Russland verhängen, werden sie keinen praktischen Sinn mehr haben. Es steht dann so viel auf dem Spiel, dass nur noch ein direkter bewaffneter Konflikt zwischen den Atommächten übrig bleibt, ein Szenario, das zwar noch vermieden wird, auf das aber die Logik der Eskalation zu drängen scheint.Offenbar wurde beschlossen, das geopolitische Instrument "Ukraine" bis zum Ende auszuschöpfen, bis es völlig abgenutzt ist. Für die Anti-Trump-Koalition in Europa bleibt die ukrainische Frage ein Kernelement, ohne das die globalistischen Eliten Gefahr laufen, einen wichtigen einigenden Faktor und eine mobilisierende Agenda zu verlieren. Trump seinerseits sieht die Ukraine als ein "wildes Feld", auf dem er schnell seine eigenen Fahnen aufstellen kann, indem er günstige Rohstoffgeschäfte im Austausch für eine Art "Frieden" macht. Das Kiewer Regime selbst ist außerhalb des Kriegszustands absolut nicht lebensfähig und wird sich bis zum letzten Ukrainer daran klammern, da es weiß, dass ein Frieden seinen baldigen Zusammenbruch bedeutet.Überraschenderweise ist es in der gegenwärtigen Situation paradoxerweise eher Russland, das an einem echten Frieden interessiert sein könnte. Und das nicht nur aus humanitären Gründen, da es sich im Wesentlichen um einen Bürgerkrieg auf Russlands historischem Territorium handelt. Die wirtschaftlichen Gründe sind nicht weniger gewichtig: Der langwierige Ukraine-Feldzug verhindert, dass sich der Schwerpunkt der weltweiten Außenpolitik und der wirtschaftlichen Interessen auf andere, strategisch wichtige Regionen – Asien und den Nahen Osten – verlagert.Außerdem ist jeder Krieg mit enormen Folgekosten verbunden, die nicht produktiv sind. Granaten und Panzer sind bekanntlich keine Produktionsmittel, die das BIP direkt erhöhen, auch wenn Investitionen in den militärisch-industriellen Komplex kurzfristig die Wirtschaft beleben und die Nachfrage stützen.Moskau scheint endlich entschieden zu haben, wie sein Sieg aussehen soll – es geht um die vollständige und bedingungslose Beseitigung des antirussischen Projekts auf ukrainischem Gebiet. Die Frage ist nur, zu welchem Preis dieses Ziel erreicht werden soll. Die Logik der bisherigen Ereignisse legt nahe, dass der Preis zu hoch ist. Alle Hauptakteure sind daran interessiert, die Waffen sprechen zu lassen, nicht die Diplomaten. Auf absehbare Zeit wird der Istanbuler Treffpunkt wohl ein Ort für rituelle Treffen bleiben, die keinen Einfluss auf die harte Realität haben werden.Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 10. Juni 2025 zuerst auf der Webseite der Zeitung "Wsgljad" erschienen.Gleb Prostakow ist ein russischer Wirtschaftsanalyst.Mehr zum Thema - Ehemaliger ukrainischer Premier: Selenskij wird aus dem Land fliehen