Historiker: Lage beim Saaranschluss 1935 kaum auf heute übertragbar

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Die historische Situation im Saarland vor 90 Jahren ist nach Auffassung des saarländischen Historikers Hans-Christian Herrmann nur schwer mit der aktuellen Debatte um eine mögliche Stärkung rechtsextremistischer Strömungen vergleichbar. Beim Blick auf die Lage zum Votum der Saarländer zum Anschluss an Hitler-Deutschland Anfang des Jahres 1935 zeigten sich allenfalls Parallelen in der medialen Auseinandersetzung, sagte der Leiter des Stadtarchivs Saarbrücken am Montagabend.Auf einer Diskussion über seinen Vortrag zum ersten Saarland-Votum sagte der Historiker, Propaganda und der Einsatz von Medien seien von großer Bedeutung für das Ergebnis der Saar-Abstimmung vom 13. Januar 1935 gewesen. Dabei sei die Diversifizierung der Presse sowie das Aufkommen von Fotografie, Film und Rundfunk in den 1920er Jahren entscheidend gewesen. In der heutigen digitalen Welt seien das die sozialen Netzwerke. „Ansonsten tue ich mich schwer damit, Dinge zu übertragen“, sagte Hoffmann.Bei der ersten Saar-Abstimmung konnten die Saarländer darüber entscheiden, ob das Saargebiet weiter von Frankreich mit einem Mandat des Völkerbundes verwaltet werden oder künftig zu Deutschland oder Frankreich gehören sollte. Mehr als 90 Prozent der Wähler votierten für einen Anschluss ans Deutsche Reich, nur etwa acht Prozent für die Beibehaltung des Status quo.Hoffmann vertrat in seinem Vortrag die These, dass der damalige Nationalismus, das Trauma des Ersten Weltkriegs und die Verträge von Versailles ausschlaggebend für das aus heutiger Sicht schwer verständliche hohe Ergebnis für eine Angliederung an Hitler-Deutschland gewesen seien. Nicht nur die Zentrumspartei und die katholische Kirche hätten für den Anschluss ans „Vaterland“ geworben, sondern auch führende Kommunisten und Sozialdemokraten.Hoffmann betonte, dass das Ergebnis des Votums zwar erklärbar sei, aber gleichzeitig das Verhalten der Saarländer 1934/1935 einen „Tiefpunkt saarländischer Geschichte“ und eine „Schande“ auch für die katholische Kirche markiere. Viele Saarländer hätten damals politische Gegner denunziert, Befürworter der Beibehaltung der politischen Zugehörigkeit des Saarlands beschimpft oder gar mit Mord bedroht und Juden verfolgt. Lehrer hätten es als normale Prügelei bezeichnet, wenn katholische oder evangelische Schüler ihre jüdischen Klassenkameraden zusammengeschlagen hätten. Und das auch schon vor der Abstimmung, als das Saargebiet noch gar nicht unter Herrschaft der NSDAP gestanden habe, die bei der Landesratswahl 1932 gerade einmal 6,7 Prozent der Stimmen bekommen habe. Es sei schwer zu quantifizieren, wie viele der Wähler wegen und wie viele trotz Hitler 1935 für den Anschluss gestimmt hätten.Für Februar und März plant das Saarbrücker Stadtarchiv Vorträge über die Rolle der katholischen und evangelischen Kirchen bei der Abstimmung von 1935. Vorträge im Herbst sollen sich mit der zweiten Saar-Abstimmung 1955 beschäftigen, durch die das Saarland zur Bundesrepublik kam und so das erste neue deutsche Bundesland wurde.The post Historiker: Lage beim Saaranschluss 1935 kaum auf heute übertragbar appeared first on Evangelische Zeitung.