Was Wirtschaftsweisin Monika Schnitzer am Rentensystem verändern will

Wait 5 sec.

Standdatum: 21. Juni 2025. Autorinnen und Autoren: Giovanni di Lorenzo und Judith RakersWirtschaftsweisin Monika Schnitzer war zu Gast bei 3nach9. Bild: Matthias HornungDie Beraterin der Bundesregierung verrät bei 3nach9, warum ein Feiertag gestrichen werden sollte und was im aktuellen Rentensystem falsch läuft.Monika Schnitzer ist Vorsitzende der Wirtschaftsweisen und berät die Bundesregierung unter anderem in Wirtschaftsangelegenheiten. Zudem lehrt sie seit fast 30 Jahren an der Ludwig-Maximilians-Universität in München.Was machen die Wirtschaftsweisen eigentlich?Wir sind fünf Mitglieder. Es gibt noch einen wissenschaftlichen Stab von promovierten Ökonominnen und Ökonomen, die helfen. Das sind so zwischen 12 und 15 Leuten.Wir haben einen gesetzlichen Auftrag seit über 60 Jahren. Der Auftrag ist einerseits, die Regierung über die gesamtwirtschaftliche Entwicklung zu informieren und Prognosen zu erstellen. Wir weisen aber auch auf mögliche Fehlentwicklungen hin. Andererseits ist unser Auftrag, die Öffentlichkeit zu informieren. Also Interviews zu geben, in die Talkshows zu gehen oder selber Gastbeiträge zu schreiben, damit sich die Öffentlichkeit auch ein Bild machen kann.Fangen wir mal an mit der ganzen Sprengkraft Ihrer Vorschläge: Sie sind für die Abschaffung eines Feiertages, welchen würden Sie sich am liebsten vornehmen?Auf jeden Fall keinen im Sommer. Aber lassen Sie mich erzählen, warum ich mir das vorstellen kann: Weil wir schon seit fünf Jahren in einer Phase sind, in der es nicht ganz gut läuft. Und die Politik hat nie gesagt: "Leute, die Lage ist ernst, jetzt müssen wir mal ein bisschen zusammenhalten und den Gürtel ein bisschen enger schnallen."Wir sagen schon die ganze Zeit, an der Rente muss man etwas ändern. Und wenn man von den Rentnern etwas verlangt, dann muss man auch von den anderen etwas verlangen.Mein Punkt ist: Von allen müssen wir ein kleines bisschen verlangen. Und da finde ich die Streichung eines Feiertages nicht so schlimm.Würde das denn überhaupt etwas bringen?Ja, das würde ein bisschen bringen. Wenn man einen Tag mehr arbeitet, hat man auch ein bisschen mehr Wirtschaftskraft. Aber es hat auch einen symbolischen Charakter. Wir könnten auch an den Lohnentwicklungen sparen, aber da würden die meisten Leute schon sagen, dass sie lieber einen Tag mehr arbeiten anstatt auf Lohn zu verzichten.Ich komme zur nächsten Foltermaßnahme: das Renteneintrittsalter erhöhen. Auf wie viel? Das wurde ja jetzt schon mal erhöht.Wir werden alle immer älter, da muss ein bisschen mehr Arbeiten einfach sein. In den letzten 40 Jahren ist die Rentendauer um acht Jahre angestiegen. Meine Großeltern waren alle höchstens ein paar Monate in Rente, bis sie mit 65 gestorben sind. Meine Eltern sind schon 90 geworden, haben also 25 Jahre länger gelebt. Im Durchschnitt leben die Leute heute so viel länger, dass sie acht Jahre länger Rente beziehen, und das muss irgendwie finanziert werden. Daher sagen wir: Mit jedem Jahr, das man länger lebt, sollte man acht Monate länger arbeiten.Sie wollen auch die "Rente mit 63" abschaffen. Warum?Die Leute, die mit 63 in Rente gehen, das sind typischer Weise hochqualifizierte Fachkräfte mit durchschnittlichem Verdienst und überdurchschnittlich gesund. Das sind Leute, die danach noch einen Marathon laufen, also sind das nicht Leute, denen es gesundheitlich wirklich schlecht geht.Es gibt aber Ausnahmeregelungen für Menschen, die wirklich gesundheitlich kaputt sind. Wir würden sogar sagen, die Rente mit 63 ist okay für Leute, die Geringverdiener sind, weil die typischerweise in Berufen sind, die sehr anstrengend sind und auch nicht so gesund sind. Aber Leute wie ich, wir können an unseren Schreibtischen noch eine ganze Weile weiterarbeiten.Um die Dramaturgie noch zu steigern, gehe ich noch zu einem noch schlimmeren Folterinstrument: Sie wollen die Witwenrente abschaffen. Kann man das den Menschen wirklich antun?Was wir sagen ist: Man sollte individuelle Rentenansprüche haben. Wenn ein Paar gemeinsam wirtschaftet, also einer arbeitet und einer kümmert sich um die Kinder, dann muss das eine Einkommen ja auch für beide reichen.Wenn er dann verstirbt, weil der Mann ist typischerweise der, der verdient, bekommt die Frau 55 Prozent der Rente, also die Witwenrente. Wenn die Frau aber stirbt, bekommt der Mann die volle Rente. Und da muss man sich schon fragen: Ist das gerecht?Es wäre sinnvoll, wenn sich beide die Rentenansprüche teilen würden: Wenn er stirbt, bekommt sie die Hälfte, wenn sie stirbt, bekommt er die Hälfte. Das würde auch zu gleichberechtigten Partnerschaften führen.So hätte man auch einen höheren Anreiz, etwas dazuzuverdienen, denn es lohnt sich ja kaum noch zu arbeiten, wenn ich verwitwet bin. Denn wenn ich eine eigene Rente habe, bekomme ich keine Witwenrente. Die Witwenrente hält also davon ab, zu arbeiten.Information zum ThemaSendetermine 3nach925. Juli 202522. August 2025 (Best of)19. September 202517. Oktober 202514. November 202519. Dezember 2025Ende der Information zum ThemaDazu kommt Ihre Forderung, dass Menschen, die keine Kinder haben, oder nur sehr wenige Kinder, stärker angehalten werden müssen, sich selbst fürs Alter zu versorgen.Ja, überlegen wir mal, wie unser Rentensystem gerade funktioniert: Wir haben ein Umlageverfahren. Die, die gerade arbeiten, zahlen ein und davon profitieren die aktuellen Rentnerinnen und Rentner. Das ist ein sogenannter Generationenvertrag. Ich zahle jetzt für die aktuellen Rentnerinnen und Rentner und erwarte, dass in Zukunft die Kinder für mich zahlen.Dafür braucht es aber Kinder. Ein Teil des Vertrags ist es also auch, Kinder großzuziehen. Die Menschen, die also keine Kinder großziehen, warum auch immer, die haben eine Menge Geld gespart. Und daher auch mehr Geld, um etwas zurückzulegen.Wir haben während des ganzen Wahlkampfes gehört, dass "abnippeln" wirtschaftlich ist. Was ist denn Ihr Eindruck, ist die Lage so schlimm wie man sagt, oder wird da maßlos übertrieben? Glauben Sie an dieses Land – wirtschaftlich?Ich glaube an dieses Land, weil ich an die Menschen in diesem Land glaube. Aber ich glaube, dass man den Menschen auch die Wahrheit sagen muss, und da gehört dazu, dass man dieses Rentensystem stabilisieren muss, dass man das Krankensystem und Pflegesystem stabilisiert.Da gibt es ja eine ganze Reihe von Themen, wo wir auf ein Problem zulaufen, weil wir immer mehr ältere Menschen haben und immer weniger junge, die das finanzieren müssen.Autorinnen und AutorenGiovanni di Lorenzo ModeratorJudith Rakers ModeratorinQuelle: buten un binnen.Dieses Thema im Programm: 3nach9, 20. Juni 2025, 22 Uhr