Geschmack von Himmel und Erde

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Die Speisung der Fünftausend macht ihr schon lange keine Angst mehr: Pfarrerin Griet Petersen hat nach zehn Jahren Erfahrung mit der „MahlZeit“ großes Vertrauen entwickelt: „Wenn der Kuchen knapp zu werden droht, kommt plötzlich jemand um die Ecke und bringt noch einen. So passiert es immer wieder“, sagt sie. Seit 2014 gibt es in Langwasser dieses „jährlich wiederkehrende Speisungswunder“, wie es Pfarrer Daniel Szemerédy ausdrückt. Heißt ganz konkret: 1.000 Essen in dieser einen Woche, die einmal im Jahr immer um diese Jahreszeit stattfindet. 96 Gäste pro Mahlzeit finden Platz in der Dietrich-Bonhoeffer-Kirche; auf rund 140 Essen pro Tag ist das Küchenteam eingestellt.Ankommen, hinsetzen, essen. Aber auch: satt werden, andere Menschen kennenlernen, ins Gespräch kommen. Sonntags gibt es zunächst einen Gottesdienst, der an den zwölf – überwiegend bereits eingedeckten – Tischen mit jeweils maximal acht Personen gefeiert wird. „So wie ich bin, komme ich hier an“, sagt Petersen in ihrer Predigt. Im Gepäck die Erfahrungen nicht nur der vergangenen Woche. „Ich stelle meinen Rucksack einen Moment bei Gott ab“, fährt Petersen fort, „in der Hoffnung, dass ich neue Kraft zum Tragen bekomme.“Für die bei diesem Projekt mitwirkenden 70 Ehrenamtlichen, die aus der evangelischen Gemeinde Langwasser, der benachbarten katholischen Gemeinde und auch aus anderen Stadtteilen kommen, gibt es viel zu tun. Mit dabei sind Geflüchtete aus Venezuela und Kuba, die sich bereits im letzten Jahr – damals noch ohne ein Wort Deutsch – im Service eingebracht haben. „Die Menschen hier in der Gemeinde sind für uns ein Stück Familie geworden“, sagen die jungen Leute ein Jahr später. Mit dem, was sie tun, fühlen sie sich gebraucht, wollen mit ihrem Engagement etwas zurückgeben und ihre Dankbarkeit zeigen.„Jeder macht, was er oder sie kann“, sagt Küchenchefin Hanne Lucijanìc. „Jedes Jahr lernen wir dazu.“ Lachend fügt sie hinzu: „Am Ende ist immer mehr Geld in der Spendenbüchse als in der Kasse.“ Sie schaut heute, dass alle auf ihrer Position sind und nach dem Salat die ersten Klöße serviert werden können. Derweil gibt es schon eine lange Schlange am Kuchenbüfett.Am Tisch daneben: zwei Frauen, die eigens aus Stadtparknähe aus dem Norden hergekommen sind. „Die große Vesperkirche ist mir zu hektisch“, sagt die eine. „Essen muss gemütlich sein“, die andere. „Es tut gut, sich einfach mal bedienen lassen zu dürfen – das ist echter Luxus“, finden sie.Auch Brunhild Erxleben sitzt – noch. Für sie ist es die Ruhe vor dem Sturm: Noch mindestens dreimal wird sie in den kommenden Tagen Kuchen fürs Büfett backen. „Wobei es hier nicht nur ums Essen geht“, betont Maria Weber, die neben ihr sitzt und ebenfalls zum „festen Kern“ der Ehrenamtlichen gehört. Sie schätzt besonders die vielfältigen Begegnungen und guten Gespräche in lockerer Atmosphäre.Auch den Initiatoren geht es darum, Menschen zusammenzubringen: „Manche laufen sich nach langer Zeit ausgerechnet hier mal wieder über den Weg“, sagt Pfarrerin Petersen. Wahrgenommen werde das Angebot von Menschen aus den unterschiedlichsten Kontexten und mit verschiedenen Bedürftigkeiten, erzählt sie. Wer einmal da gewesen sei, komme meist wieder. Das betreffe Gäste wie Ehrenamtliche gleichermaßen. Dem Pfarrer-Ehepaar geht es bei dem niedrigschwelligen Projekt, bei dem Erwachsene einen Euro zahlen, Kinder gar nichts, auch um Menschenwürde und -liebe sowie um Respekt – jede und jeder sei willkommen, egal mit welchem Hintergrund.Am Eingang nimmt Gerd Meyer – ebenfalls schon seit vielen Jahren – die Menschen in Empfang. Vorbei an Garderobe, Kasse und Küche, immer dem guten Essensduft nach, darf man am liebevoll gedeckten Tisch Platz nehmen, zur Ruhe kommen und durchatmen. Im Hintergrund wird vorbereitet und gekocht, gespült, serviert, ab- und aufgeräumt. Richard Stry ist ebenfalls „schon immer“ mit dabei. Er ist heute der Hüter der Nachschlagstation.„Wir wohnen in der Nähe und hatten uns mit Freunden hier verabredet“, erzählt ein Ehepaar, bei dem zu Hause die Küche heute kalt bleibt. „An den eingespielten Abläufen merkt man, wie wunderbar organisiert alles ist.“Unter der Woche öffnet die „MahlZeit“ pünktlich um zwölf. „Vorher versammeln wir uns mit allen Helfern, die an diesem Tag da sind, um den Altar“, erklärt Pfarrerin Petersen. Den Initiatoren des Projekts ist es wichtig, dass dieser die Quelle von allem ist und bleibt. (00/0389/05.02.2025)The post Geschmack von Himmel und Erde appeared first on Evangelische Zeitung.