Pfarrer Mathias Laminski und sein ungewöhnlicher geistlicher Weg

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In der DDR war Laminski Koch, in den 1990ern ging er als Priester nach Brasilien, in seiner Berliner Pfarrei pflegt er das Andenken an NS-Opfer. Der neue Vize-Generalvikar des Erzbistums tut die Dinge aus Leidenschaft.Am Anfang gab es nur die Asche und eine Zahl: über 1.380 Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft waren auf dem Städtischen Berliner Friedhof Altglienicke bestattet worden. Niemand kannte ihre Namen, ihre Geschichten. Man wusste nur, dass die meisten im KZ Sachsenhausen ihr Leben verloren hatten und aus unterschiedlichen Nationen stammten. Dank akribischer Forschung sind diese Toten inzwischen identifiziert worden und ihrer wird jedes Jahr am 27. Januar, dem internationalen Holocaust-Gedenktag, auf dem Friedhof gedacht.Diese Erinnerung ist Mathias Laminski, dem Pfarrer der Pfarrei Sankt Josef in Treptow-Köpenick, zu dessen Pfarrbezirk der Friedhof gehört, ein Herzensanliegen. Der 59-Jährige leitet seit 2020 die Gedenkfeierlichkeiten und ist selbst “Gedenkpate” eines jungen Mannes aus Polen, der als eines dieser Opfer auf dem Friedhof seine letzte Ruhe gefunden hat. “Ich kenne seinen Namen, sein Alter und ich frage mich oft, was er für Träume und Wünsche hatte, bevor er gewaltvoll aus diesem Leben gerissen wurde”, sagt Laminski im Gespräch. “So etwas darf nie wieder geschehen!”Dabei weiß der Pfarrer, der seit Januar auch stellvertretender Generalvikar ist, also Vize-Verwaltungschef des Erzbistums Berlin, allzu gut, wie es sich anfühlt, in einer Diktatur zu leben. 1965 kam er in Brandenburg an der Havel zur Welt. Viele seiner Familienmitglieder lebten damals in der Nähe von Danzig, andere waren nach Westdeutschland geflüchtet. Doch seine Großeltern hatten sich für Brandenburg entschieden – katholisch und innerlich nicht angepasst an das sozialistische Regime. Laminski sagt, er selbst habe in diesem Kontext früh das kirchliche Leben als Freiraum für sich entdeckt: “Auf der Schule gab es viele kommunistisch ideologisierte Lehrer, die über den christlichen Glauben herzogen, doch für mich war der Glaube stets ein Halt. Die Kirche ist für mich Freiheit.”Er sagt das ruhig und auf eine ganz selbstverständliche Art, die selten geworden ist. Die Idee, Priester zu werden, kam ihm während der Lehre als Koch, Mitte der 80er Jahre. Da hatte er bei verschiedenen Familienurlauben auch schon die Gewerkschaft Solidarność aus der Nähe kennengelernt und war begeistert von den Umbrüchen in Polen. Laminski verhehlt nicht, dass er während der Zeit der Friedlichen Revolution 1989/90 daran dachte, in die Politik zu gehen. Doch er entschied sich anders: An seinem 30. Geburtstag im Juni 1995 wurde er von Kardinal Georg Sterzinsky in Berlin zum Priester geweiht.Bald zeigte sich, dass Laminskis Sehnsucht nach Brasilien größer war, als in Berlin und Umgebung im Einsatz zu sein. Schneller als Sterzinsky es sehen konnte, hatte sich der Geistliche auf eine Farm in Nähe der Metropole Belo Horizonte abgesetzt, um drogenabhängigen Straßenkindern auf der “Fazenda da Esperanca” (Farm der Hoffnung) neue Perspektiven zu verleihen. Sieben Jahre machte er das. Die letzten Jahre mit ausdrücklicher Genehmigung des Kardinals.Zu Beginn der 2010er Jahre hatte Laminski den Eindruck, wieder zurückkehren zu müssen nach Berlin und Brandenburg. Fast elf Jahre leitet er inzwischen die Pfarrei in Köpenick, doch seine Aktivitäten spannen sich weiter. Als Fan des Fußballclubs Union Berlin engagiert er sich auch sozial für den Verein, beim Rundfunk Berlin-Brandenburg hält er regelmäßig für die Hörer die Morgenandachten. Dazu kümmert er sich um queersensible Seelsorge im Erzbistum – wissend, dass man diese Menschen längst verloren habe, wie er sagt.Dabei unterstreicht der leidenschaftliche Jogger, dass er nicht viel vom “Institutionalisieren” hält. Menschen, Netzwerke, persönlicher Kontakt – darauf setzt er. Nicht auf Papier, Ordner und Akten – bei aller Bewunderung für Menschen, die damit umgehen können. Wieso er trotzdem als sehr guter Organisator gilt und deshalb zum Vize-Generalvikar berufen wurde, kann Laminski nicht erklären. Es scheint ihm einfach gegeben zu sein, so wie sein Glaube und sein positives Bild von der Kirche. Denn als Ort der Freiheit versteht er die Kirche nach wie vor. Diese Freiheit strahlt er auch aus.The post Pfarrer Mathias Laminski und sein ungewöhnlicher geistlicher Weg appeared first on Evangelische Zeitung.