Chinas Pläne für Mega-Damm in Tibet sorgen für Streit

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Es soll das größte Wasserkraftwerk der Welt werden – dreimal größer als der “Drei-Schluchten-Damm”. Das gigantische Projekt in Tibet beunruhigt Chinas Nachbarn. Viele Millionen Menschen könnten betroffen sein.Der geplante Bau des größten Staudammprojekts der Welt in Tibet alarmiert die stromabwärts liegenden Nachbarn Indien und Bangladesch. Das beispiellose Vorhaben weckt Besorgnisse unter Tibetern, Umwelt-Aktivisten und Experten. Befürchtet werden Zwangsumsiedlungen, Gefahren für den Bau durch Erdbeben, Sturzfluten, Erdrutsche und ernste Folgen für das Ökosystem. Der Mega-Damm verschärft die Spannungen zwischen China und Indien. Nebenbei betoniert China damit buchstäblich seine führende Rolle weltweit bei Staudammprojekten, vor Brasilien, Russland, Venezuela und Tadschikistan.Hatte sich das Verhältnis zwischen den beiden rivalisierenden Atommächten gerade etwas verbessert, da verkündete China Ende Dezember 2024 die Genehmigung des kontroversen Staudamms am Yarlung Tsangpo im Osten des tibetischen Hochlandes. Der 2.900 Kilometer lange Strom fließt von den Gletschern des Himalaya weiter unter dem Namen Brahmaputra durch Indien und als Jamuna in Bangladesch in den Ganges. Viele Millionen Menschen und ihre Landwirtschaft sind abhängig von der Wasserversorgung durch den Strom.Details des konkreten Vorhabens enthüllte Peking noch nicht. Nach früheren Ankündigungen soll das Kraftwerk jährlich 300 Milliarden Kilowatt Strom produzieren – also fast dreimal so viel wie das bisher weltgrößte Staudammprojekt an den Drei Schluchten des Jangtse in Zentralchina. Die Kosten wurden bislang auf umgerechnet gut 130 Milliarden Euro beziffert. Es soll in der Gemeinde Medog an einer Haarnadelkurve des Yarlung Tsangpo gebaut werden.Ein Außenamtssprecher in Neu Delhi betonte, dass Indien angestammte Wassernutzungsrechte besitze. Peking seien Bedenken über solche Megaprojekte übermittelt worden. Gefordert seien jetzt “Transparenz und Konsultationen”. Die Interessen der Staaten flussabwärts dürften nicht beeinträchtigt werden.Im Januar spielte das Projekt auch eine Rolle beim ersten Besuch eines indischen Außenministers in China seit mehr als fünf Jahren. Um die jüngste Annäherung nicht zu gefährden, hielt sich Vikram Misri aber öffentlich zurück. Immerhin wurden Expertengespräche zum Austausch hydrologischer Daten für die grenzüberschreitenden Flüsse vereinbart.Deutlicher wurde Pema Kandhu, Regierungschef des indischen Bundesstaates Arunachal Pradesh, wo der Yarlung Tsangpo auf indisches Gebiet fließt. Er warnt vor “erheblichen Risiken für die Wassersicherheit, die Ökologie und den Lebensunterhalt von Millionen Menschen flussabwärts”.Der Damm würde China ermöglichen, Zeitpunkt und Menge des Wassers zu kontrollieren, was in Zeiten niedriger Strömung oder Dürre verheerende Auswirkungen haben könnte. Auch könnte plötzlicher Wasserablass aus dem Damm schwere Überschwemmungen verursachen, insbesondere während der Monsunzeit, warnte der Politiker. Hinzu komme, dass sich der Sedimentfluss verändern und dadurch landwirtschaftliche Flächen beeinträchtigen könnte, die auf die Nährstoffversorgung angewiesen seien.Chinas Anteil am Wasser des Brahmaputra wird allerdings nur auf 7 bis 30 Prozent geschätzt, weil die Regenfälle in den Gebieten des Flusslaufes in Indien, Bhutan und Bangladesch zu den höchsten der Welt gehören. Doch das Misstrauen zwischen Indien und China ist groß und schürt die Sorgen. Beide Länder haben 1962 einen blutigen Grenzkrieg geführt. Die fast 3.500 Kilometer lange Grenze ist bis heute nicht klar markiert. Es gibt gegenseitige Gebietsansprüche. Immer wieder brechen Spannungen aus. In der Doklam-Krise 2017 standen sich die Truppen wochenlang gegenüber. 2020 gab es bei Zusammenstößen im Galwan-Tal Tote auf beiden Seiten. Erst seit Herbst 2024 gibt es ein leichtes Tauwetter in den Beziehungen.In solchen Krisen hält China häufig notwendige hydrologische Daten zurück. Dass beide Seiten nicht mal ein formelles Abkommen über die Wassernutzung haben, gilt als ein weiteres Problem. “Indien muss beurteilen, wie China seinen Vorteil gegenüber den flussabwärts gelegenen Ländern als Waffe einsetzen könnte”, schreiben Ameya Pratap Singh und Urvi Tembey in einer Analyse der australischen Denkfabrik Lowy Institute. “Die Kontrolle über diese Flüsse verschafft China einen Würgegriff auf die indische Wirtschaft.”Peking präsentiert den Staudamm als ein “grünes Projekt”, mit dem das Land im Kampf gegen den Klimawandel Kohlendioxid-Neutralität erreichen will. Der Sprecher des Außenministeriums, Guo Jiakun, beteuerte, es werde die Wasserressourcen weiter flussabwärts, die Umwelt und die geologischen Bedingungen nicht negativ beeinflussen.Exiltibetische Gruppen warnen aber davor, Pekings “Klima-Rhetorik” aufzusitzen. Durch den Damm wären auch 25.000 Tibeter negativ betroffen. “Was in Tibet geschieht, ist weder nachhaltig noch klimafreundlich”, sagt Kai Müller von der International Campaign for Tibet (ICT). Er beklagt Vertreibung, Umsiedlung, massive Umweltschäden und Zerstörung von Kulturgütern durch die vielen Staudämme in Tibet, das Quellgebiet für acht große Flüsse der Region ist.Das schwere Erdbeben in Tibet der Stärke von 7,1 im Januar, bei dem 126 Menschen ums Leben kamen, verdeutlicht auch die Gefahren in dem seismisch aktiven Gebiet. Nie zuvor hat China ein solch ehrgeiziges Dammprojekt gebaut. Über 20 Kilometer soll der Strom durch Tunnel geleitet werden. Die Schlucht gilt als die tiefste der Welt. Über eine kurze Strecke von 50 Kilometern fällt der Fluss um 2.000 Meter tief. Das Gelände ist unwegsam, der Bau eine enorme Herausforderung für die Ingenieure.Der neue Damm liegt auch nicht weit von der Grenze in einem strategisch wichtigen Gebiet. Um ihn zu schützen, dürfte China dort auch Truppen stationieren – was heute schon Argwohn auf indischer Seite weckt. Diese Kombination aus politischen Spannungen, technischen Herausforderungen und der Anfälligkeit des Flussbeckens für Katastrophen wie Erdrutsche, Erdbeben und Sturzfluten wirft laut Experten tiefgreifende Fragen über die Sicherheit, Durchführbarkeit und regionalen Folgen des Projekts auf.The post Chinas Pläne für Mega-Damm in Tibet sorgen für Streit appeared first on Evangelische Zeitung.