Rassismus ist nach den Worten des Migrationspädagogen Paul Mecheril eine Menschenunterscheidung mit potenziell entmenschlichender Wirkung. Er trage dazu bei, Ungleichheit herzustellen und zu legitimieren, sagte der Wissenschaftler der Universität Bielefeld am Dienstagabend vor der Landessynode der Evangelischen Kirche im Rheinland in Bonn. Rassismus töte potenziell – körperlich, aber auch rechtlich und sozial.Rassismuskritik sei keine polizeiliche Praxis, erläuterte Mecheril. Es gehe nicht darum, eine Rassistin oder einen rassistischen Sprechakt eindeutig zu identifizieren. Vielmehr gehe es darum, soziale Verhältnisse zu betrachten. Verhalten solle sich ändern, weil man sich für bessere Verhältnisse einsetzen wolle.„Wir leben in Zeiten der Normalisierung rechter Positionen“, sagte der Rassismusexperte. Es sei „schon erstaunlich“, was sagbar und durchsetzbar geworden sei. Menschen würden dehumanisiert, indem sie nur auf die Umstände reduziert werden, die ihre Körper bereiteten. Das sei etwa der Fall, wenn man Flüchtlinge nur als Zahlen sehe.In Deutschland habe es mit der Stunde Null nach dem Zweiten Weltkrieg im ideologischen Selbstverständnis keinen Rassismus mehr gegeben. „Weil Rassismus nicht sein darf, gibt es Rassismus nicht“, erläuterte Mecheril. Deswegen habe Deutschland jahrzehntelang Rassismus nicht als Kategorie für Gegenwartsverhältnisse genutzt. Stattdessen habe es die Begriffe Fremden- und Ausländerfeindlichkeit etwa nach dem Brandanschlag von Solingen und den Pogromen von Rostock gegeben. Dadurch seien Menschen noch im Tod als Ausländer und Fremde kategorisiert worden.„Nichts ist für rassistische Verhältnisse so dienlich, wie das Nicht-Thematisieren von rassistischen Verhältnissen“, sagte der Psychologe. Das gelte auch für Femizide. „Gewalt von Männern gegen Frauen besteht vor allen dann, wenn wir nicht darüber sprechen“, erläuterte er. Messerattacken, Vergewaltigungen, Femizide und Kindstötungen würden in erster Linie von Männern ausgeübt. Männer seien wiederum die lautesten, die männliche Gewalt Männern zuschrieben, die nicht mehr Männer, sondern dann Muslime seien.Sarah Vecera von der Vereinten Evangelischen Mission (VEM) betonte, dass bei der gemeinsamen Abstimmung von Union, FDP und AfD im Bundestag eine „extreme Eskalationsstufe“ erreicht worden sei. „In der vergangenen Woche konnten wir live im Bundestag erleben, wie verantwortungsvolle Menschen sich über Migration und Rassismus in die Haare kriegen können.“ In der Kirche gebe es den Anspruch, Vielfalt zu leben. „Ich treffe in der Kirche mehrheitlich auf Menschen, die auf komplexe Fragen auch komplexe Antworten haben wollen“, sagte sie.Nach der Jugendsynode 2019 hatten die rheinische Kirchenleitung und die Evangelische Jugend im Rheinland überlegt, wie Themen, die junge Menschen bewegen, auf der Synode Raum finden. In jeder Legislaturperiode soll ein wissenschaftlicher Vortrag gehalten und das Thema diskutiert werden. Hierfür nahmen nun 50 junge Menschen neben den über 190 Synodalen teil.The post Wissenschaftler: Rassismus legitimiert Ungleichheit appeared first on Evangelische Zeitung.