Dem NS-Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau entkam Leon Weintraub durch eine spontane Augenblicks-Entscheidung. Heute warnt der 99-Jährige als Zeitzeuge vor Schulklassen vor dem Erstarken des Rechtsextremismus.Leon Weintraub (99) ist einer der letzten Überlebenden des Holocaust. Seit vielen Jahren spricht er als Zeitzeuge der NS-Zeit mit Schülern. Das in Freiburg ansässige Maximilian-Kolbe-Werk organisiert die Begegnungen.Weintraub wurde 1926 als Sohn einer jüdischen Familie im polnischen Lodz geboren und ging bis zum Kriegsausbruch 1939 sechs Jahre in die Schule. Sein Vater starb bereits 1927. Im Winter 1939 musste er mit seiner Mutter und seinen Schwestern ins Ghetto Litzmannstadt in Lodz umsiedeln, 1944 wurden sie ins NS-Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert, wo er von seinen Angehörigen getrennt wurde.Weintraub gelang es, Auschwitz zu entkommen – nach eigenen Worten durch eine “spontane” Augenblicks-Entscheidung. Er konnte sich unbemerkt von den Wachen einem Transport von Arbeitshäftlingen in ein Außenlager des KZ Groß-Rosen anschließen und entkam so der Ermordung. Danach wurde er in das Konzentrationslager Flossenbürg und schließlich ins KZ Natzweiler-Struthof gebracht. Die Befreiung erlebte Weintraub kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges durch französische Truppen in der Nähe von Donaueschingen.Nach dem Krieg studierte er Medizin in Göttingen, kehrte 1950 nach Polen zurück und arbeitete als Gynäkologe in einer Frauenklinik in Warschau. 1969 verlor er in Folge eines damals zunehmenden Antisemitismus in Polen seine Anstellung als Oberarzt. Daraufhin wanderte er mit seiner Familie nach Schweden aus.2023 sagte Weintraub in einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA), man dürfe “kein Ende des Erinnerns” an den Holocaust machen. Dies sei notwendig “als Mahnung und Warnung, damit so etwas nie wieder geschieht”. Holocaust-Leugner würden sich auch in Zukunft nicht durchsetzen, gab sich Weintraub überzeugt: “Die Wahrheit ist sehr überzeugend. Und die Menschen werden immer wissen wollen, wie es wirklich war.”Weintraub sprach auch bei der Gedenkfeier zum 80. Jahrestag der Befreiung des NS-Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau am 27. Januar 2025. Dabei warnte er vor neuen Formen des Rassismus und appellierte an die jungen Menschen, tolerant und wachsam zu sein. Man dürfe die Fehler der 1930er Jahre nicht wiederholen.Aufsehen erregte er auch mit einem am Mittwoch in der “taz” veröffentlichten offenen Brief an den CDU-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz, in dem Weintraub schrieb: “Bitte hören Sie nicht auf die Lockrufe der Rechten.”Weintraub lebt heute mit seiner Frau in Stockholm. 2022 erschien sein Buch “Die Versöhnung mit dem Bösen. Geschichte eines Weiterlebens”. Am 1. Januar 2026 wird Leon Weintraub 100 Jahre alt.The post Leon Weintraub appeared first on Evangelische Zeitung.