von Egon W. KreutzerPaD 8 /2025 – Hier auch als PDF verfügbar: Pad8 2025 Die EU lässt die Muskeln spielenSeit J.D. Vance auf der Münchner Sicherheitskonferenz gesprochen hat, ist die EU nicht mehr wiederzuerkennen. Was in der realen Welt als unumkehrbar gilt, wenn nämlich jemand als Löwe gesprungen und definitiv als Bettvorleger gelandet ist, darin will die EU sich nun, mit freundlicher Unterstützung der Briten, offenbar umkehrend versuchen.Der Erfinder des Grand Chessboard, Zbigniew Kazimierz Brzeziński, der die Ukraine als jene Region identifiziert hatte, von der das weitere Schicksal Russlands abhänge, war schließlich Pole und konnte – aus der Sicht des polnischen Europäers – wahrscheinlich gar nicht anders als die folgende Prognose abzugeben:„Allein schon die Existenz einer unabhängigen Ukraine hilft, Russland zu verändern. Ohne die Ukraine hört Russland auf, ein eurasisches Imperium zu sein. Es kann zwar immer noch imperialen Status beanspruchen, würde dann aber in Konflikte mit den zentralasiatischen Staaten verwickelt. Auch China würde sich erneuter russischer Dominanz in Zentralasien entgegenstellen. Wenn Russland aber die Kontrolle über die Ukraine zurückgewinnt, wäre es wieder eine Imperialmacht.“Als US-Bürger, ob kleiner Tellerwäscher in der Bronx oder Präsident im Oval Office, ist man an diese polnische Perspektive nicht gebunden. Man kann sich einen anderen, einen amerikanischen Blick auf die Welt leisten und die eigenen Prioritäten jederzeit neu festlegen.In Brüssel jedoch fehlt die übergeordnete Perspektive. Die EU verfügt zwar über eine gewisse wirtschaftliche Stärke, aber die EU ist keine Weltmacht. Ich behaupte, die EU ist noch nicht einmal in der Lage, in Weltmachtkategorien zu denken und zu planen. Das wäre für das, was man früher eine „Mittelmacht“ nannte, auch kein Problem, solange man die eigenen Interessen kennt und sich bei weltpolitischen Veränderungen jeweils so positionieren kann, dass diese eigenen Interessen gewahrt bleiben. Die EU hat jedoch in Fragen der Weltpolitik darauf verzichtet, eigene, über reine Handelsinteressen hinausgehende Interessen zu formulieren, sondern sich als „Mitmachmacht“ stets im Windschatten der USA bewegt und diese Position auch dann nicht aufgegeben, wenn sie dabei Schaden davongetragen hat.Erst die abrupte Änderung des US-Kurses mit Beginn der zweiten Amtszeit von Donald Trump hat die EU aus der Bahn geworfen, als hätte sich in einer scharfen Kurve der Beiwagen vom Motorrad gelöst, in der Annahme es ging auch ohne Motorrad immer schön geradeaus weiter, obwohl da gar keine Straße mehr ist.Valdis Dombrovskis, von ganzen 1,9 Millionen Letten (1/2 Berlin) als Handelskommissar in die EU entsandt, erklärt öffentlich: Auch wenn sich die USA jetzt aus dem Sanktionsregime gegen Russland verabschieden: Wir werden nicht nur die bestehenden Sanktionen beibehalten, wir werden auch dazu auch neue Strafmaßnahmen ersinnen, da arbeiten wir schon daran, schon wegen des dritten Jahrestages des russischen Überfalls auf die Ukraine am 24. Februar.Ist es nicht so paradox, dass es schon wieder komisch wirkt? Sich jede Mühe zu geben, die Stimmung in Russland gegen die EU zu wenden, das soll unserer Sicherheit dienen? Was tut man sich da in den Tee, in Riga?Aber Dombrovskis ist ja nicht alleine. In Paris tönt Außenminister Jean-Noël Barrot, das neue Paket, mit dem die EU auf den russischen Energiesektor ziele, werde den russischen Präsidenten Wladimir Putin „zwingen, sich an den Verhandlungstisch zu setzen“.Hat der den Schuss nicht gehört? Putin – also Russland – sitzt bereits am Verhandlungstisch. Wer nicht am Tisch sitzt, das ist die EU!Und dummerweise kann die EU das auch nicht erzwingen.Außerdem sind Barrot Sanktionen gegen Russland alleine nicht genug. Das neue Paket wird sich auch gegen Länder richten, die die Umgehung der Beschränkungen erleichtern. Machen wir uns also noch ein paar Feinde mehr. Was soll’s? Die EU übernimmt die Rolle des Weltpolizisten zur Durchsetzung nicht mehr relevanter amerikanischer Interessen. Das ist die Renaissance der Nibelungentreue in verschärfter Ausführung.Von der scheintoten deutschen Regierung ist nichts mehr zu erwarten, von den vier Kanzlerkandidaten würde ich jedoch erwarten, dass alle vier geschlossen in Brüssel mit der Faust auf den Tisch hauen und ihr Veto gegen jede weitere Russlandsanktion einlegen, nachdem die USA – endlich – den Weg frei gemacht haben, wieder zu vernünftigen und nützlichen Beziehungen zu Russland zurückzukehren. Alice Weidel ist die einzige, die wenigstens hier, zuhause, im Wahlkampf diese Linie der Vernunft vertritt. Aber leider will mit ihr niemand koalieren. Vermutlich, weil es dem von Habeck wirtschaftlich an die Wand gefahrenen Land immer noch viel zu gut geht und Sanktionen gegen Russland als geeigneter Weg erscheinen, Deutschlands Klimaziele per forcierter Deindustrialisierung schon 2027 zu erreichen.Während die EU also wie der Japaner Hiroo Onoda auf der Insel Lubang auch nach dem Kriegsende auf verlorenem Posten noch ewig weiterkämpfen will, haben sich hochrangige Delegationen der USA und Russlands schon einmal in Riad getroffen, um mit der Normalisierung der beiderseitigen Beziehungen zu beginnen. Putin und Trump haben miteinander telefoniert und werden sich voraussichtlich noch im Februar zu persönlichen Gesprächen treffen.In Kiew sitzt ein beleidigter Selenski und verkündet, als hätten seine Sprüche irgendeinen Einfluss auf Trump und Putin, er werde die Ergebnisse der Gespräche nicht anerkennen. Insofern sieht es so aus, als bestünde weitgehende Einigkeit zwischen EU-Prominenz und Selenski darüber, dass, wer nicht von Relevanz ist, ohne Angst vor Konsequenzen verbal den dicken Max spielen kann, weil die relevanten Player sich im Zweifelsfall nicht einmal die Mühe geben, das Geplärr zu ignorieren.Das soll sich nach dem Willen der EU nun aber ändern.Man will in Brüssel nicht mehr länger irrelevant sein. Man will in Brüssel ernstgenommen werden. Man will so ernst genommen werden, dass man Prügel bezieht, wenn man anderen ans Bein pinkelt, und das gelingt nur, wenn man selbst militärisch stark ist und eine Gefahr für die Sicherheit anderer darstellt.Unsere feministisch-trampolinierende Außenministerin konnte das Geheimnis nicht für sich behalten und hat es doch schon vor der Schließung der Wahllokale hinausposaunt. Nicht für, wie es anfänglich geklungen hat, sondern wegen der Ukraine wird die EU Hunderte von Milliarden Euro in die eigene Militarisierung stecken – und natürlich auch der Ukraine weiterhelfen, solange es nötig ist.Man stelle sich vor:Trump und Putin einigen sich darauf, dass der Ukraine-Krieg schnellstmöglich beendet werden soll.Trump sichert zu, alle amerikanischen Staatsbürger, die militärische Unterstützung für die Ukraine leisten abzuziehen, keine Daten der Satellitenaufklärung an die Ukraine mehr zu liefern, auch die Space X Satellitentelefone für die Kommunikation der ukrainischen Truppen abzuschalten, und selbstverständlich auch keinen Schuss Munition mehr zu liefern.Putin sichert zu, dass seine Truppen für drei Monate keine neuen Angriffe mehr durchführen werden, sondern lediglich ihre Stellungen halten und sich verteidigen, sollten ukrainische Angriffe stattfinden.Das wären gute Voraussetzungen für einen dauerhaften Waffenstillstand, gäbe es da nicht die EU, die unbedingt weiter Krieg führen will, bis die Russen besiegt sind.Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas, aus Estland, 1,37 Millionen Einwohner (~ München) , ebenso gegen Russland auf Krawall gebürstet wie ihr südlicher Nachbar Valdis Dombrovskis, will noch in diesem Jahr 1,5 Millionen Artilleriegranaten an die Ukraine liefern und etliches andere Militärzeugs noch dazu. Der kaum noch aufzuhaltende nächste deutsche Bundeskanzler, Friedrich Merz, wird endlich den Taurus auf Russland loslassen, von dem immer noch angenommen werden kann, dass er ohne die Unterstützung deutscher Militärs kein einziges Ziel finden kann.Damit hätte Selenski erst einmal wieder genug Spielzeug, um seinen Krieg weiterzuführen, obwohl ihm die USA die weitere Unterstützung gekündigt haben.Hat man in Brüssel vor, Trump zu beweisen, dass er Kriege beenden wollen kann, so viel er will, ob Krieg ist, oder Frieden, bestimme immer noch die EU? Ganz so, wie Gutle Rothschild 1830 den einfachen verbalen Beweis führen konnte: „Es gibt keinen Krieg. Meine Söhne werden kein Geld dafür geben!“Trump will diesen Krieg immer noch beenden, auch wenn er ihn quasi an die Europäer übergeben hat, um sich auf andere Weltgegenden konzentrieren zu können. Der Krieg wird auch bald zu Ende gehen, aus einem ganz einfachen Grund. Auch wenn die EU sich auf der ganzen Welt (oder einfach von der EZB) die 700 Milliarden Euro zusammenpumpen sollte, um so massiv und in höchstem Tempo aufzurüsten, wie es für erforderlich gehalten wird:Geld kann man nicht nur nicht essen,man kann auch nicht damit schießen.Die Arsenale sind bereits weitgehend geleert. Die Kapazitäten der europäischen Rüstungsindustrie reichen nicht, den laufenden Bedarf der Ukraine zu decken und schon gar nicht, selbst wieder so weit aufzurüsten, dass von den Armeen der EU wenigstens ein bisschen Abschreckung erzeugt werden könnte.Da kann Trump seelenruhig zusehen und muss noch nicht einmal zu gesonderten erzieherischen Maßnahmen gegenüber der EU greifen und zum Beispiel Exportverbote, Strafzölle und andere Sanktionen verhängen.Putin auf der anderen Seite wird feststellen, dass er nun tatsächlich in einem Krieg mit der EU steht, die von keinem US-Präsidenten mehr aufgehalten wird, die sich aber auch nicht mehr auf den Artikel 5 des NATO-Vertrags berufen kann, sollte Russland zur Vorneverteidigung auf EU-Territorium übergehen.Ich glaube nicht, dass es so weit kommen wird.Trump wird es schaffen, den EU-Falken die Flügel zu stutzen.Das habe ich übrigens bereits in der November Ausgabe 2024 von „EWK – Zur Lage“ als eine der Möglichkeiten zur Beendigung des Krieges so beschrieben:Trump stellt die US-Hilfen für die Ukraine vollständig ein und überlässt den Ukraine-Krieg den Europäern (EU+GB). Diese müssten erkennen, dass die Fortsetzung des Krieges ihre Möglichkeiten weit überfordert und ihrerseits aus einer Position der Schwäche heraus in Verhandlungen mit Russland eintreten. Das Kriegsende wäre innerhalb von sechs bis zwölf Monaten zu erwarten. Dem dürfte der zügige Zerfall der NATO folgen.Heute sieht es so aus, als würde es so kommen.Gestatten Sie mir zum Schluss noch eine sehr persönliche Anmerkung, die über den üblichen Rahmen der Kommentierung der Ereignisse hinausgeht.Dazu zitiere ich zunächst einmal Franz Josef Strauß, der unser Elend lange vorhergesehen hat, als er 1986 sagte:„Wenn diese Bundesrepublik Deutschland einen fundamentalen Richtungswandel in Richtung rot-grün vollziehen würde, dann wäre unsere Arbeit der letzten vierzig Jahre umsonst gewesen. Dann wär das Schicksal der Lebenden ungewiss und die Zukunft … und die kommenden Generationen – ihr Leben würde auf dem Spiele stehen. Wir stehen doch vor der Entscheidung: Bleiben wir auf dem Boden trockener, spröder, notfalls langweiliger bügerlicher Vernunft und ihrer Tugenden, oder steigen wir in das buntgeschmückte Narrenschiff Utopia ein, in dem dann ein Grüner und zwei Rote die Rolle der Faschingskommandanten übernehmen würden.“Ich muss das nicht weiter ausmalen. Sie kennen den Zustand Deutschlands ganz genau, und wissen, welchem Geist wir es zu verdanken haben, dass sich eine „demokratische Mitte der Quantitäten“ zusammengefunden hat, innerhalb derer „Qualität“ mit der Lupe gesucht werden muss, und sollte es aus dieser Mitte heraus einmal zu vernünftigen Erkenntnissen und Vorschläge kommen, so dürfen diese nicht verfolgt, bzw. müssen rückgängig gemacht werden, wenn es Zustimmung aus den Reihen der Ausgegrenzten und Verfemten dazu gegeben hat.Daran wird aber erkenntlich, dass die „demokratische Mitte“ stets bereit ist, parteitaktischen Überlegungen den Vorrang vor der Vernunft und den Interessen des deutschen Volkes einzuräumen und dies mit ihrem bloßen „Mehrsein“ auch durchsetzt.Bei Kleinkindern würde man das als Trotzhaltung bezeichnen und abwarten, bis der Anfall vorbei ist.Unter Erwachsenen kennt man solches Verhalten eigentlich nur im Bereich des sektiererischen Fanatismus, der glücklicherweise in Reinform kaum noch anzutreffen ist.Spielchen, wie sie im Deutschen Bundestag mit der AfD getrieben werden, zeugen nicht nur von einem seltsamen Demokratieverständnis, sondern auch davon, dass selbst demokratisch gewählte Volksvertreter das Innenleben der Demokratie nach den Regeln des Faustrechts zu gestalten bereit sind.In der Feuerzangenbowle waren es Pennälerstreiche, die Prof. Crey zu dem gutmütigen Tadel veranlassten:„Pfeiffer, sä send albern. Ehnen fählt die sittliche Reife.“Ich werde mich hüten, auch nur ein Mitglied des Hohen Hauses als albern zu bezeichnen. Ich unterstelle ganz im Gegenteil: Die meinen das alles absolut ernst. Es liegt also – wenn auch nicht logisch zwangsläufig – nahe, dass es nicht die sittliche Reife ist, an der es gebricht.Was aber dann?