Horn von Afrika: Warum Trump den „größten Luftangriff der Geschichte“ angeordnet hatDavid Goeßmann

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Dank an David Goeßmann für die persönliche Genehmigung, seinen heute auf Telepolis erschienenen Artikel., auf der Hochblauen Seite zu übernehmen. Evelyn Hecht-Galinskihttps://www.telepolis.de/features/Horn-von-Afrika-Warum-Trump-den-groessten-Luftangriff-der-Geschichte-angeordnet-hat-10420808.htmlHorn von Afrika: Warum Trump den „größten Luftangriff der Geschichte“ angeordnet hat David Goeßmann 31. Mai 2025 Eine Super Hornet der USS Harry S. Truman Carrier Strike Group bei der Luftbetankung. Bild: Jackson Manske / US NavyDie USA überziehen Somalia mit schweren Angriffen. Der „Friedensmacher“ in Washington setzt auf den militärischen Vorschlaghammer. Was steckt dahinter? (Leserdebatte)Der Flugzeugträger USS Harry S. Truman und seine unterstützende Kampfgruppe starteten im Februar den „größten Luftangriff der Geschichte“ [1] auf Somalia. Das erklärte Anfang der Woche Admiral James Kilby, stellvertretender Chef der Marineoperationen, auf einer Militärveranstaltung.60 Tonnen auf einen SchlagDabei schlugen in das Land rund 57.000 Kilo an Munition ein, abgeschossen von den 16 Super-Hornet-Kampfjets, die von der Kampfgruppe im Roten Meer, an das die Länder Ägypten, Saudi-Arabien, Jemen und Somalia grenzen, gestartet wurden. Die fast 60 Tonnen schwere Bombenlast tötete dabei laut Angaben [2] des Africa Command (Africom) des US-Militärs lediglich 14 Menschen.Zwar seien andere Luftangriffe von ihrem Umfang oder in Bezug auf das Gewicht der Bomben größer gewesen – siehe den Abwurf der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki während des 2. Weltkriegs. Aber nie zuvor sei mehr Kampfjet-Beschuss in nur wenigen Minuten von einem einzigen Flugzeugträger initiiert worden, so Kilby. „Das ist historisch bedeutsam.“US-Präsident Donald Trump hat die Militäroperationen in Somalia erneut stark eskaliert, obwohl er sich selbst als Antikriegskandidat und Friedensmacher präsentiert. Schon in seiner ersten Amtszeit hatte er die Einsatzregeln gelockert, sodass sich die Angriffe auf Somalia verdreifachten. Insgesamt stieg [3] die Anzahl ziviler Opfer [4] in Kriegsgebieten mit US-Beteiligung wie Afghanistan [5], Irak [6], Syrien [7] und Jemen [8] danach an. Nun hat Trump erneut die Durchführung von Luftangriffen durch Aufhebung von Regulierungen erleichtert [9].„WE WILL KILL YOU“Auf sozialen Medien brüstet sich die US-Regierung dabei, den Anti-Terror-Krieg erfolgreich verschärft zu haben. Das Weiße Haus veröffentlichte auf X [10] Targeting-Videos, die zeigen, wie eine Bombe auf Männer abgeworfen wird, die harmlos in einer ländlichen Gegend spazieren gehen. „Damit sind seit der Amtseinführung von Präsident Trump insgesamt über 100 blutrünstige Terroristen getötet worden.“ Die Regierung fügte hinzu: „WWFY/WWKY [WE WILL FIND YOU/WE WILL KILL YOU]: Wir werden euch finden und wir werden euch töten.“The Intercept fand im Jahr 2023 heraus [11], dass ein US-Drohnenangriff in Somalia im April 2018 bis zu fünf Zivilisten, einschließlich der 22-jährigen Luul Dahir Mohamed und ihrer vierjährigen Tochter Mariam Shilow Muse, töteten. Die Attacken fanden statt unter den von der Trump-Regierung damals gelockerten Angriffsbeschränkungen. Bis heute musste sich niemand für die Tötungen verantworten.Seit Beginn des verdeckten Kriegs der USA in Somalia seit 2003, als man dort nach den Anschlägen vom 11. September 2001 Spezialeinheiten stationierte, sind nach Angaben der Denkfabrik New America [12] 364 Angriffe im Land durchgeführt worden. Allein 219 davon fallen in die erste und nun schon 34 in die zweite Amtszeit von Trump. Insgesamt sollen bis zu 123 Zivilisten im Zuge der Bombardierungen getötet worden sein.Trotz eines Truppenabzugs im Jahr 2020 befinden sich weiterhin US-Streitkräfte in Somalia. Die USA unterhalten [13] im Land zudem CIA-Geheimgefängnisse und kleinere Militärstützpunkte [14], sogenannte „lily pads“.Das Terrorzüchtungsprogramm der USADas erklärte Ziel der Vereinigten Staaten am Horn von Afrika sei es, Terroristen zu töten und die Terrorgruppe Al-Shabab zu zerschlagen. Auch in der medialen Öffentlichkeit im Westen fokussiert sich die Berichterstattung auf Terrorismusbekämpfung, wenn die USA in Somalia Angriffe ausführen. Dabei wird jedoch der Hintergrund fast nie erwähnt.So betont [15] der investigative US-Journalist und Kenner der Region, Jeremy Scahill, dass die Entstehung von Al-Shabaab eng mit der US-Außenpolitik verknüpft ist. Demnach fürchteten die USA nach 9/11, dass sich al-Kaida in Somalia etablieren könnte, obwohl nur wenige Mitglieder der Organisation dort waren.Anstatt selbst zu intervenieren, bezahlte die CIA Warlords, die im Auftrag der USA mutmaßliche Terroristen brutal verfolgten und ermordeten. Mit der „Lizenz zum Töten“ züchtete [16] die US-Regierung damit in Somalia Todesschwadronen und eine blutige „Mordmaschinerie“.Als Reaktion darauf gründete sich die regionale Allianz Union islamischer Gerichte in Somalia, die die Warlords 2006 aus Mogadischu vertrieb und erstmals seit Jahren Stabilität brachte. Al-Shabaab war damals nur eine kleine radikale Gruppe ohne größere politische Bedeutung. Doch die US-Regierung unter George W. Bush sah jede islamische Bewegung als Bedrohung und unterstützte eine äthiopische Invasion, die die islamischen Gerichte zerschlug.Somalias strategische BedeutungDadurch konnte Al-Shabaab an Bedeutung gewinnen, ausländische Kämpfer anziehen und weite Teile Somalias kontrollieren. Ohne das Eingreifen der USA und Äthiopiens wäre der Aufstieg von Al-Shabaab kaum möglich gewesen, erklärt Scahill.Somalia ist eines der ärmsten Länder der Welt und steht auf dem vorletzten Platz [17] des UN Human Development Index. Das die USA derartiges Interesse an dem Staat entwickeln, liegt an mehreren Faktoren, wie Aleksi Ylönen, US-Professor für Internationale Beziehungen feststellt [18]. Vor allem die Region Somaliland im Nordwesten von Somalia – der Küstenstreifen erklärte sich in den 1990er-Jahren zwar als unabhängig, aber gehört völkerrechtlich zu Somalia – liegt im Fokus:Die USA sind wie andere Großmächte an Somaliland aufgrund der strategischen Lage interessiert. Es liegt an der afrikanischen Küste des Golfs von Aden, gegenüber der Arabischen Halbinsel. Seine geografische Lage hat in letzter Zeit an Bedeutung gewonnen, da jemenitische Huthi-Rebellen den Seeverkehr [19] in den stark befahrenen Schifffahrtswegen angreifen. Somaliland ist auch gut gelegen, um Piraterie und Schmuggel auf dieser globalen Handelsroute einzudämmen.Crash mit ChinaDie Somalia-Strategie der USA findet vor dem Hintergrund eines geopolitischen Ringens um den ressourcenreichen afrikanischen Kontinents statt. Afrika verfügt über zahlreiche wichtige Mineralien, fossile Brennstoffe und Ackerland. Die Weltbank schätzt [20], dass 40 Prozent der weltweiten Erdgasfunde in der letzten Dekade in Afrika stattfanden. In der Elfenbeinküste [21], Namibia und Mosambik wurden enorme neue Erdöl- und Erdgasvorkommen entdeckt.Seit China 43 Staaten des Kontinents in sein Handels- und Infrastrukturprojekt der Neuen Seidenstraße (Belt and Road Initiative, BRI) integriert und in fast alle afrikanische Staaten investiert hat (mit Dämmen, Eisenbahnlinien, Energieinfrastruktur usw.), ist eine Art „Kalter Krieg“ mit den USA ausgebrochen. Dabei wird im Westen die Legende erzählt [22], dass Beijing die Afrikaner mit ihren „neokolonialen“ Krediten in eine Schuldenfalle treibe, was sicherlich für die IWF-Gelder der Vergangenheit galt, die insbesondere von den USA und Europa an Entwicklungsländer gegeben wurden, aber für China in dieser Form eben nicht gilt [23].Das Tricontinental Institute for Social Research betont in seinem Dossier zu Afrika [24], dass Chinas militärische Präsenz im Vergleich zum Westen zudem gering sei. Seit 2008 beteiligt sich China an Anti-Piraterie-Missionen am Horn von Afrika basierend auf einer UN-Resolution.Aufrüstung vs. Frieden2017 eröffnete Beijing seinen ersten Auslandsstützpunkt in Dschibuti direkt neben Somalia zur Unterstützung dieser Einsätze. Dort am Horn von Afrika, in Camp Lemonnier in Dschibuti [25], hat auch das US-Afrika-Kommando seit 2002 seinen wichtigsten Stützpunkt. Doch das Tricontinental Institute verweist auf die Unterschiede:Chinas Friedenskonzept [26] unterscheidet sich qualitativ von den militärischen Auslandsaktivitäten des Westens, die sich auf Gendarmeriefunktionen und Aufrüstung konzentrieren, und setzt stattdessen auf infrastrukturgestützte wirtschaftliche Entwicklung und Armutsbekämpfung.Währenddessen ist ein Ende des 25 Jahre andauernden Kriegs in Somalia unter US-Präsident Trump nicht absehbar. Nicht zuletzt der im Weißen Haus gefeierte „größte Luftangriff der Geschichte“ sollte das deutlich gemacht haben.URL dieses Artikels:https://www.heise.de/-10420808Links in diesem Artikel:[1] https://www.cfr.org/event/robert-b-mckeon-endowed-series-military-strategy-and-leadership-4[2] https://www.africom.mil/pressrelease/35715/update-us-forces-strike-on-isis-somalia[3] https://www.defense.gov/News/Transcripts/Transcript-View/Article/1133033/department-of-defense-briefing-by-gen-townsend-via-telephone-from-baghdad-iraq/[4] https://www.reuters.com/article/us-afghanistan-casualties/afghan-civilian-casualties-from-air-strikes-rise-more-than-50-percent-says-u-n-idUSKBN1CH1SZ[5] https://watson.brown.edu/costsofwar/papers/2020/AirstrikesAfghanistan[6] https://www.nytimes.com/interactive/2021/12/18/us/airstrikes-pentagon-records-civilian-deaths.html[7] https://www.rand.org/pubs/articles/2022/civilian-casualties-lessons-from-the-battle-for-raqqa.html[8] https://airwars.org/conflict/us-forces-in-yemen/[9] https://www.cbsnews.com/news/trump-eases-rules-military-raids-airstrikes-targets/[10] https://x.com/WhiteHouse/status/1924943241331286418[11] https://theintercept.com/2023/11/12/somalia-drone-strike-civilian-deaths/[12] https://www.newamerica.org/future-security/reports/americas-counterterrorism-wars/the-war-in-somalia/[13] https://www.thenation.com/article/archive/cias-secret-sites-somalia/[14] https://thetricontinental.org/pan-africa/dossier-42-militarisation-africa/[15] https://www.democracynow.org/2013/9/25/jeremy_scahill_al_shababs_nairobi_mall[16] https://www.kontext-tv.de/de/sendungen/syrien-somalia-und-afghanistan-verheerende-militaerstrategien-von-usa-nato-deutsche[17] https://hdr.undp.org/system/files/documents/global-report-document/hdr2025reporten.pdf#page=295[18] https://theconversation.com/somalilands-30-year-quest-for-recognition-could-us-interests-make-the-difference-255399[19] https://www.reuters.com/graphics/ISRAEL-PALESTINIANS/SHIPPING-ARMS/lgvdnngeyvo/[20] https://openknowledge.worldbank.org/server/api/core/bitstreams/b25833ff-3f51-4e0b-905a-5e411d9f0f7c/content[21] https://oilprice.com/Energy/Crude-Oil/Africas-Latest-Exploration-Hotspot-Set-to-Triple-Oil-Production.html[22] https://www.theatlantic.com/international/archive/2021/02/china-debt-trap-diplomacy/617953/[23] https://thetricontinental.org/pan-africa/dossier-42-militarisation-africa/[24] https://thetricontinental.org/pan-africa/dossier-42-militarisation-africa/[25] https://cnreurafcent.cnic.navy.mil/Installations/Camp-Lemonnier-Djibouti/[26] https://theconversation.com/chinas-approach-to-peace-in-africa-is-different-how-and-why-129467Copyright © 2025 Heise Medien --