Woher der Mythos der weißen Weihnacht kommt

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Fast überall gehört Schnee zum Kernrepertoire weihnachtlicher Feststimmung. Aber wieso eigentlich? Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass es den Wunsch nach einer “weißen Weihnacht” noch gar nicht so lange gibt.Weihnachten mit Weinreben statt weiße Weihnacht? Das zeigt eine englische Postkarte von 1843. Auf dem Kärtchen ist keine Spur von dem schneeigen Treiben, das heute durch fast jede Weihnachtswerbung weht. Stattdessen: eine betrunkene Familie (gut – das gibt es heute auch noch), Weinblätter (es könnte auch eine Grußkarte von einem Weinfest sein) und eine Fahne “A Merry Christmas and a Happy New Year to You”. Also: Wieso gehört Schnee heute eigentlich so eng zu Weihnachten?Vielleicht weil Schnee einfach magisch ist? Schneekristalle, weiß gepuderte Baumkronen oder eine in weiß getauchte Wiesenlandschaft sind ein schöner Ausgleich zu den oft dunklen, grauen Wintermonaten. Schnee reflektiert das Licht. Daneben kann man mit Schnee viel Spaß haben: Schneeballschlachten, Schlittenfahren und Schneemänner locken im Winter an die frische Luft.Auch in Japan verbinden Menschen Weihnachten mit dem weißen Puder. Der japanische Künstler Kawase Hasui zum Beispiel ist dafür bekannt, den westlichen Weihnachtskult mit japanischer Tradition zu kombinieren. In dem Holzschnitt “Santa Claus in Snow Garden” stiefelt ein roter Weihnachtsmann auf einen traditionellen japanischen Schrein zu. Japanische Schneeidylle und Coca-Cola-Kitsch vermischen sich zu einem harmonischen Weihnachtsmotiv.Aber nicht nur in Weltregionen, in denen an Weihnachten schon mal Schnee fällt, verbinden Menschen das Fest mit Winterwetter. Selbst in Australien wimmelt es von Schneemotiven. In der Weihnachtszeit stehen in Wohnzimmern und auf Straßen weiß gepuderte Plastik-Bäume. Ein Beispiel ist der Jolly Market in Sydney, ein Weihnachtsmarkt voller Schneeimitationen: Schnee vom Himmel, Schnee auf Dächern, Schnee in kleinen Gläschen, der, wenn man sie bewegt, zu einem kleinen Stürmchen wird. Die Betreiber wollen bei den Besuchern den Eindruck erwecken, auf einem europäischen Weihnachtsmarkt zu sein. Schnee gehört da für Viele offenbar dazu – auch bei über 30 Grad.Dabei ist es unwahrscheinlich, dass bei dem eigentlichen Weihnachtsereignis, der Geburt Jesu, in Bethlehem Schnee lag – die Region im Westjordanland ist nicht gerade als Skigebiet bekannt. Auch in den Evangelien ist nicht von Schnee die Rede, nur: “Die Hirten beobachteten ihre Herde und es war kalt.” Klimaberichten zufolge ist Schnee in Israel selten. Zudem ist historisch nicht gesichert, ob Jesus überhaupt im Winter zur Welt kam.Die Auswertung von alten Weihnachtskarten zeigt, dass das winterliche Weihnachtsbild sich vermutlich Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelt hat. Inspirationen für verschneite Postkarten kamen wohl zum einen durch ausgewanderte Europäer in Neuengland, wo an Weihnachten tatsächlich meist Schnee liegt. Außerdem nahm das Reisen, beispielsweise in die Alpen, langsam zu. Mehr oder mehr widmeten sich Kunst und Literatur verschneiten Winterlandschaften, auch im Zusammenhang mit der Geschichte von Christi Geburt.Spätestens Mitte des 20. Jahrhunderts setzte sich popkulturell die Idee einer weißen Weihnacht durch. “White Christmas” von Bing Crosby von 1942, “Let it snow!” von Dean Martin oder “Winter Wonderland” von Tony Bennet und Ella Fitzgerald dudeln bis heute in den Kopfhörern. Auch aus Filmen wie “Der kleine Lord”, “Charles Dickens” Weihnachtsgeschichte” oder dem Weihnachtsklassiker “Drei Haselnüsse für Aschenbrödel” ist Schnee nicht wegzudenken. Lieder und Illustrationen prägen also seit über einem Jahrhundert das Bild vom verschneiten Weihnachten.Übrigens: Auch in diesem Jahr stehen die Chancen auf ein weißes Weihnachtsfest schlecht – nicht nur in Australien, sondern auch in Deutschland. Eher warme Temperaturen werden erwartet. Und auch in Zukunft wird dank Klimakrise hierzulande der Schnee immer seltener rieseln. Die Songs von Bing Crosby und Ella Fitzgerald können dann aber auch ein weihnachtliches Weinfest in ein “Winter Wonderland” verwandeln. Gerne mit Grußkarte bitte.The post Woher der Mythos der weißen Weihnacht kommt appeared first on Evangelische Zeitung.