Franziskaner: Trauriges Weihnachten in Jerusalem

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Buchstäblich düster, aber nicht ohne Hoffnung – so beschreibt ein führender Franziskaner die beklommene Weihnachtsstimmung im Heiligen Land. In Syrien sieht er für seine Mitbrüder die Aussicht auf bessere Zeiten.Ibrahim Faltas (60), ägyptischer Franziskaner und zweiter Mann der Kustodie von Jerusalem, ist die prominenteste arabische Katholiken-Stimme im Heiligen Land. International bekannt wurde er, als er bei der dramatischen Besetzung der Bethlehemer Geburtskirche 2002 durch militante Palästinenser als kirchlicher Unterhändler eine erfolgreiche Einigung herbeiführte. Im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) äußert er sich zum bevorstehen Weihnachtsfest, zur Stimmung in Syrien und zu den Restaurierungsarbeiten in der Jerusalemer Grabeskirche.KNA: Pater Ibrahim, die Christen im Heiligen Land erleben das zweite Weihnachtsfest im Krieg. Wie ist die Stimmung?Faltas: Es ist ein trauriges Weihnachten für die Christen, für das ganze Heilige Land. Seit 14 Monaten herrscht Krieg und es kommen keine Pilger. Und ohne Pilger haben die Christen hier keine Arbeit und kein Einkommen. Daher wird auf öffentliche Weihnachtsdekoration verzichtet. Normalerweise hatten wir oben auf unserem Kustodien-Gebäude in Jerusalem einen großen Weihnachtsbaum aufgestellt und es gab ein Fest für ganz Jerusalem. Zum zweiten Mal haben wir das jetzt abgesagt. Das Gleiche gilt für Bethlehem, auch dort gibt es keinen öffentlichen Weihnachtsschmuck. Die Lage dort ist besonders traurig. Viele Familien ziehen weg oder sind bereits weggezogen, aber auch aus Jerusalem.KNA: Was ist heute anders als 2023?Faltas: Die Lage ist deutlich schlechter. Damals war der Krieg gerade erst drei Monate alt, die Leute hofften, dass er bald zu Ende gehen würde. Bislang hat es hier keinen so langen und harten Krieg gegeben.KNA: Kann man in einer solchen Situation im Heiligen Land überhaupt noch Weihnachten feiern?Faltas: Wie ich schon sagte, es ist ein trauriges Weihnachten, es herrscht keine Weihnachtsfreude. Aber natürlich feiern die Christen ihre Gottesdienste in Erinnerung an die Geburt Jesu, die Kirchen werden wieder voll sein, und wir beten. Wie in jedem Jahr wird der Lateinische Patriarch von Jerusalem am 24. Dezember in Bethlehem einziehen und zu Fuß durch die Straßen der Stadt zur Geburtskirche gehen.Allerdings werden auch diesmal an der Weihnachtsmette fast nur einheimische Christen teilnehmen. Pilger und Touristen aus aller Welt bleiben wegen der schwierigen Lage außen vor – schon zum zweiten Mal. In der Vergangenheit mussten wir für die Messe Eintrittskarten ausgeben, die rasch vergriffen waren. Und trotzdem kamen viele Gläubige nicht ins Gotteshaus hinein und mussten auf dem Vorplatz mitfeiern. Diesmal brauchen wir keine Tickets.KNA: Gibt es Hoffnung, oder herrscht einfach nur Depression, Enttäuschung, Wut?Faltas: Hoffnung? In diesen Tagen spricht man von einer Übereinkunft für Gaza, auf die alle sehnlichst warten. Es gab gute Nachrichten über entsprechende Verhandlungen in Kairo und Katar. Wir hoffen, dass sie erfolgreich sind, vielleicht noch vor Weihnachten. Eine solche Übereinkunft wäre eine wunderschöne Sache.KNA: Was tut die Kustodie in dieser Notlage, wo und wie hilft sie den Menschen?Faltas: Die Kustodie hilft den Menschen so gut sie kann, insbesondere in Jerusalem, in Bethlehem, in Jericho, wo immer wir Niederlassungen haben und arbeiten können. Wir führen unsere Schulen und Sozialeinrichtungen weiter. Wir zahlen all unseren Angestellten weiter ihren Lohn, auch wenn unsere Gästehäuser geschlossen sind und andere Aktivitäten entfallen. Wir tun unser Bestes.KNA: Auch in Syrien leisten Ihre Mitbrüder Seelsorge- und Bildungsarbeit. Wie ist deren Lage? Was hören Sie von ihnen?Faltas: Wir haben elf Niederlassungen in Syrien, je drei Klöster in Aleppo und in Damaskus und dann an fünf weiteren Orten. Die Franziskaner leisten dort ihren Dienst in ihren Pfarreien, ihren Schulen, in der Jugendarbeit und Altenbetreuung – trotz des Krieges und aller Probleme. Einer unserer Brüder wurde zu Beginn des Krieges im Norden getötet, etliche wurden entführt. Sie haben sehr gelitten. Aber sie sind und bleiben dort präsent, um die Menschen zu betreuen und ihnen zu helfen.KNA: Sehen Sie dort Hoffnung auf eine Zukunft in Normalität?Faltas: Jetzt ja – wir hoffen. Endlich können sich unsere Brüder wieder im Land bewegen. Ein Pater in Jacoubieh ganz im Norden nahe der türkischen Grenze konnte seinen Konvent seit sechs Jahren nicht verlassen. Jetzt endlich war es ihm möglich, die Mitbrüder in Aleppo zu besuchen. Ich habe den Eindruck, dass die die Menschen jetzt zufrieden sind; sie sagen uns, dass die Situation jetzt besser ist. Wir hoffen.KNA: Die Restaurierungsarbeiten in der Jerusalemer Grabeskirche sollten 2024 abgeschlossen sein – aber sie dauern an. Wie geht es dort weiter, was erwarten Sie?Faltas: Wir hoffen, dass die Arbeiten möglichst bald fertig sind, sicher in der ersten Hälfte des nächsten Jahres. Die Leute leisten gute Arbeit. Wir profitieren in diesem Fall sogar davon, dass es keine Pilger gibt. Jetzt müssen zum Abschluss die Fußbodenplatten stabil verlegt werden.KNA: Sie waren gerade in Rom. Um eine Krippe aus Bethlehem für den Papst hat es zuletzt Kritik und Polemik gegeben – weil das Christkind auf einer Keffiyeh, einem Palästinensertuch lag. Wenige Tage später war die Krippe plötzlich leer. Warum? Wie gehts weiter?Faltas: Jemand hat das Christkind in der Krippe auf eine Keffiyeh gelegt. Darauf gab es Kritik und Polemik, die meines Erachtens übertrieben war. Das Jesuskind wurde zunächst aus der Krippe genommen, weil es traditionell erst in der Weihnachtsnacht dorthin gelegt wird. Das wird dort jetzt auch zu Weihnachten so gemacht. Für mich war der Vorgang übertrieben.KNA: Aus welchem Grund sind Sie eigentlich nach Rom gereist?Faltas: Ich habe Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas zu seiner Audienz bei Papst Franziskus begleitet. Die Audienz war sehr gut und sehr wichtig. Im Mittelpunkt stand natürlich die Lage im Heiligen Land und die Arbeit für einen Frieden in der Region. Es sind zwei Personen, die sich wirklich mögen. Und der Papst hat seine Liebe und Sympathie für das Heilige Land deutlich gemacht.The post Franziskaner: Trauriges Weihnachten in Jerusalem appeared first on Evangelische Zeitung.