Der flächendeckende Stromausfall auf der Iberischen Halbinsel Ende April und andere Ereignisse werfen die Frage auf, wie stabil das europäische Verbundnetz ist. Es gibt zunehmend warnende Stimmen, die auf die Risiken der Transformation unserer Energieversorgung hinweisen. von Maurice ForegengStromausfälle, Frequenzschwankungen und Zeitempfehlungen fürs Wäschewaschen? Die Stromversorgung bereitete den Deutschen und anderen Europäern in diesem Jahr schon so manch spannende Momente.Generell gilt das europäische Verbundnetz überwiegend als stabil und kann viele Störungen gut kompensieren. Die Energiewende stellt es jedoch vor wachsende Herausforderungen, da zunehmende volatile Stromeinspeisungen und der Rückgang konventioneller Kraftwerke die Frequenz- und Netzstabilität gefährden.Das wohl einschlägigste Ereignis war der Blackout auf der kompletten Iberischen Halbinsel. Ende April gingen in Spanien, Portugal und Teilen Frankreichs die Lichter aus. Es dauerte mehrere Stunden, bis alle Regionen wieder Strom hatten. Zuletzt gab es am 24. und 25. Mai Anschläge auf die Energieinfrastruktur an der Côte d’Azur. Mehr als 200.000 Haushalte in Cannes und Nizza mussten zeitweise ohne Strom auskommen.In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage: Wie stabil ist das europäische Verbundnetz – und damit auch unsere deutsche Stromversorgung?Das europäische VerbundnetzZunächst einmal zum Aufbau dieser so wichtigen Infrastruktur. Von Portugal bis in die Türkei, von Italien bis Norwegen sind alle europäischen Länder – inklusive der Schweiz – im europäischen Verbundnetz miteinander verbunden. Es versorgt mehr als 530 Millionen Kunden in 30 Ländern.An jeder einfachen Steckdose in diesem Verbundnetz liegt die gewohnte Spannung von rund 230 Volt (V) an und die Netzfrequenz liegt bei 50 Hertz. Das Stromnetz besteht dabei aus drei Hauptkomponenten:1. Die Stromerzeugung durch verschiedene Kraftwerke, darunter Kohle, Gas, Solar, Windkraft, Wasserkraft und Kernkraft.2. Die Übertragungs- und Verteilnetze.3. Endnutzer wie Haushalte, Gewerbe und Industrie.In Deutschland unterteilt sich das eigentliche Stromnetz wiederum in vier Ebenen:Höchstspannungsnetz mit 220 oder 380 kV (Kilovolt)Hochspannungsnetz mit 110 kVMittelspannungsnetz mit 1 bis 50 kVNiederspannungsnetz mit 400 V und 230 VSchematischer Aufbau der Stromversorgung in Deutschland. Foto: Stefan Riepl, CC BY-SA 2.0 DEMomentanreserve sorgt für Stabilität im StromnetzDieses Verbundnetz befindet sich in ständigem Wandel. Hier bauen Netzbetreiber die Stromnetze aus, dort entstehen neue Verbraucher, andernorts werden Kraftwerke in Betrieb genommen – oder stillgelegt.Entscheidend für die Netzstabilität ist vor allem der Energiemix und damit verbunden der Anteil der Kraftwerkskapazität mit einer sogenannten Momentanreserve. Je höher dieser Anteil im System ist, umso stabiler ist die Stromversorgung. Die Momentanreserve entsteht durch tonnenschwere rotierende Schwungmassen in großen Turbinen. Sie drehen sich passend zur Netzfrequenz.Sollte es zu einer plötzlichen Störung im Netz kommen, kann die Momentanreserve diese ausgleichen, da eine schwere rotierende Masse nicht so leicht abzubremsen oder zu beschleunigen ist.Solche Schwungmassen gibt es vor allem in Kohle-, Gas-, Kern- und Wasserkraftwerken. Windkraft- und Solaranlagen besitzen hingegen keine derartigen rotierenden Massen und daher auch keine Momentanreserve.Solaranlagen und Windräder haben keine Momentanreserve. Foto: mf | Epoch TimesMomentanreserve sinktIm Zuge der Energiewende, an der sich die meisten europäischen Länder beteiligen, bauen diese Schritt für Schritt ihre Energieerzeugung um. Dabei werden häufig fossile Kraftwerke heruntergefahren, um die CO₂-Emissionen des Landes zu senken. Stattdessen entstehen unzählige Windkraft- und Photovoltaikanlagen.In der Bundesrepublik kommt hinzu, dass diese ihre Kernkraftwerke komplett vom Netz genommen hat und aktuell zurückbaut. Nun entsteht zwar kein Atommüll mehr und die Gefahr eines Reaktorunfalls ist hierzulande gesunken, dafür hat das deutsche Stromnetz viel von seiner Momentanreserve verloren.Die Höhe der Momentanreserve variiert von Land zu Land – je nach individuellem Strommix. Sie kann über das Verhältnis der Massenträgheit – mit der Einheit Gigavoltamperesekunden (GVAs) – zur Gesamtleistung in Gigawatt (GW) aller Stunden eines Jahres gemessen werden (GVAs/GW). Oder einfacher ausgedrückt: wie viel Schwungmasse es pro Leistung gibt.So besaß 2024 auf dem europäischen Kontinent die Schweiz die höchste Momentanreserve mit 5,72 GVAs/GW, wie das Energieportal „Tech For Future“ informiert. Deutschland befindet sich in der Liste mit 22 Staaten mit einem Wert von 2,27 GVAs/GW nur auf dem vorletzten Platz.Beim „Spainout“, also dem Stromausfall von Spanien Ende April, hatte die Iberische Halbinsel einen Wert von 2,1 GVAs/GW im Netz. Das war zu wenig, um den Kollaps zu vermeiden. Spanien selbst hatte im vergangenen Jahr einen Wert von 2,85 GVAs/GW. Portugal bildete mit 1,89 GVAs/GW das Schlusslicht aller Länder.Aufgrund der ständig fortschreitenden Energiewende mit starkem Fokus auf Windkraft- und Solaranlagen dürften die Werte in der Mehrzahl der Länder weiter sinken.Mittlere Momentanreserve ausgewählter europäischer Länder, Stand 2024. Foto: mf/Epoch Times, Daten: Tech For Future, Erzeugungsdaten EU und GroßbritannienVDE: Druck auf Stromnetz wächstVor dieser Transformation in der Energieerzeugung warnte vor Kurzem der Verband der Elektrotechnik (VDE). In einer Pressemitteilung vom 21. Mai heißt es:„Während der Anteil erneuerbarer Energien steigt, wächst der Druck auf das europäische Stromsystem.“Laut dem Verband basiert die Zuverlässigkeit dieses Stromnetzes „auf einem sensiblen Gleichgewicht: Die eingespeiste elektrische Leistung muss der entnommenen exakt entsprechen.“ Das Problem: „Je mehr Anlagen Strom aus Wind und Sonne liefern und je weniger konventionelle Kraftwerke mit rotierenden Massen am Netz bleiben, desto anfälliger wird das ganze Gefüge.“Ralf Petri, Geschäftsführer der Energietechnischen Gesellschaft im VDE, teilte hierzu mit: „Der Umbau des Energiesystems stellt die Netzstabilität vor grundlegende Herausforderungen.“ Früher habe die Trägheit der konventionellen Kraftwerke Frequenzschwankungen gedämpft. Nun würden diese jedoch direkter wirken und „zunehmend die Synchronität des Verbundnetzes gefährden“.Ist Spanien vorsichtiger geworden?Nur wenige Tage vor dem Stromausfall auf der Iberischen Halbinsel hat sich Spanien damit gerühmt, sich erstmalig mit 100 Prozent „erneuerbaren“ Energien versorgt zu haben.Der spanische Übertragungsnetzbetreiber Red Eléctrica (REE) nannte dann kurz darauf „Solarstrom“ als „sehr wahrscheinlichen“ Auslöser des Blackouts. Auch die Stromdaten zeigen, dass Photovoltaik tagsüber stets für eine Stromüberproduktion gesorgt hat.Dieser Überschuss wurde entweder an die Nachbarländer abgegeben oder in Pumpspeicherwerken verbraucht. Diese erreichten bereits um die Mittagszeit ihren Höchststand, woraufhin ihr Stromverbrauch sank, was das Fass zum Überlaufen brachte. Der Strom konnte nicht mehr exportiert werden, die Leitungen waren überlastet. Es kam zur Sicherheitsabschaltung und zum Blackout.Kurz vor diesem Zusammenbruch des Netzes haben nur noch 24 Prozent der einspeisenden Kraftwerke eine Momentanreserve gehabt. Doch für ein stabiles Netz müssen mindestens rund 40 Prozent des Stroms von grundlastfähigen Kraftwerken stammen, erklärte der Physikprofessor Horst-Joachim Lüdecke.In den Stromdaten Spaniens ist zu erkennen, dass das sonnenverwöhnte Land nach dem Ereignis wohl vorsichtiger geworden ist. Beim Vergleich von Kalenderwoche 17, also kurz vor dem Blackout, mit Kalenderwoche 22 ist zu erkennen, dass die Grundlast durch Kernkraft- und Gaskraftwerke deutlich angestiegen ist. Ebenso ist der Anteil der „erneuerbaren“ Stromquellen nun meist rund zehn Prozentpunkte niedriger als zuvor.Deser Artikel erschien zuerst bei EpochTimes.de Hier Der Beitrag So (in)stabil ist Europas Stromnetz – Die Rolle der Momentanreserve erschien zuerst auf EIKE - Europäisches Institut für Klima & Energie.