»Massenpsychologie und Ich-Analyse« (Freud) oder wenn der Wahn die Massen ergreift. Dritter Teil – Version-1

Wait 5 sec.

Allgemeiner Hinweis: Der folgende Text ist die 1. Version des 3. Teils einer Reihe von Texten, die nach und nach im Vordruck auf QPress in eine »Einführung in die Kritik der Psychoanalyse« eingehen sollen; sie sind als Einführung für eine allgemeine Kritik der Psychoanalyse in drei Bänden gedacht, die in rund zwei Jahren erscheinen wird. Link des 1. Teils – hier anklicken; des 2. Teils – hier anklicken.E3 Realitätsphobien, eingelassen in die Psychoanalyse sowie Sozialtheorien (Detel, Habermas, Bruder, etc.) generellIch spreche von Abreaktionen (Abfuhr, Entsorgung) von negativen Gefühlen. Der auch von Freud verwendete Begriff der »Abreaktion« ist zentral für eine Psychoanalyse des alltäglichen Nahbereichs oder präziser: im unmittelbaren Kontext desselben, und zwar vor dem Hintergrund, dass er, nunmehr in Differenz zu Freud, ein reales Außen postuliert, in dem ein Sündenbock sein Unwesen treibt, auf den sich Abreaktionen dann aus »guten« Gründen richten können, um den Bestand des Außen, einer beliebigen sozialen Struktur zu bewahren, nicht zuletzt, um zu gewährleisten, dass diese sich als eine solche erkennt. Dazu heißt es in (Kap. 13, S. 9) unter der Überschrift. »Zur Institutionalisierung des menschlichen Gemüts«:»Der Sündenbock, der nicht in der Wahrheit der Gemeinschaft zu leben vermag, und das auch zum Ausdruck bringt, löst schlechte Gefühle aus unter den Mitgliedern der Gemeinschaft, die sie im Sündenbock tagtäglich entsorgen können müssen, um das, was sie für wahr erachten, zu verinnerlichen. Richtig: durch Abreaktionen verinnerlichen wir Wahrheit, resp. Normen, Regeln oder moralische Werte zirkelschlüssig, mit denen wir dann unsere sozialen Beziehungen tautologisierend regulieren, um darüber hinaus das Gefühl in uns auszubilden, einer Gemeinschaft anzugehören. Als müsse sich die Gemeinschaft ohne ihre Feinde (Andersdenkenden) in Luft auflösen, so wie sich Gott ohne den Satan in Luft auflösen würde. Das passiert nicht, weil wir uns an Feinden abreagieren können, tagtäglich, sogar ohne es zu merken, sofern wir uns gefühlskontrolliert abreagieren, wie es auch psychoanalytisch ausgebildete Psychotherapeuten können müssen, um als qualifiziert zu gelten«.So sieht es Freud, freilich uneingestanden, ohne an dieser Stelle zu sehen, dass er es so sieht: die Realität ist, gleichwohl permanent in Veränderung begriffen, wie sie ist: Ausgedünnt zum Realitätsprinzip, das Freud ins Innenleben – Über-Ich – projiziert mit der Aufgabe, das Innenleben realitätsgerecht zu überwachen. Ein doch recht unscharfer Begriff, der, frei nach Adorno, ein Konkretikon, das etwas über die Realität, wie sie ggf. konfliktträchtig leibt und lebt, aussagt, vermissen lässt.[1]Nun gibt es für Freud gute Gründe für zirkelschlüssig motivierte Abreaktionen, ohne in Erwägung zu ziehen, dass diese sich für gewöhnlich zirkelschlüssig aus sich selbst heraus begründen, namentlich dass sich gute Gründe ggf. inszenieren lassen, dergestalt Moral sich missbrauchen lässt, um Abreaktionen, zum Beispiel gegen Russland, auszuleben; ein ganz zentraler sozialer Sachverhalt, der bei Freud, wenn überhaupt, einen Nebenaspekt darstellt, um sich gleichsam, wie von ihm beim »kleinen Hans« diagnostiziert (Freud 1909), realitätsphobisch dem Innenleben zuzuwenden; um die Ausbildung von Krankheitssymptomen aus eben demselben heraus zu deuten.Der kleine Hans, etwa im sechsten Lebensjahr, werde von der Fantasie beherrscht, von einem Pferd gebissen zu werden, deshalb erleide er eine reale Angst vor Pferden; er fliehe vor ihnen; für Freud ist diese Form von Zwangsneurose klar erklärbar: Das Pferd repräsentiere den Vater, der den kleinen Hans kastrieren möchte, weil dieser nach Beginn seiner genitalen Phase die Mutter gegen den Vater begehre, und deshalb den Vater fürchten müsse; eine Furcht, die der kleine Hans auf Pferde verschiebe, von denen er sich fortan fernhielt, um den Vater nicht fürchten, sich nicht von ihm fernhalten zu müssen, sondern, im Gegenteil, ihn lieben, sich mit ihm identifizieren zu können. Beim Wolfsmann (Freud 1918) ergab sich eine vergleichbare Interpretation zur Begründung von Kastrations- und Ödipuskomplexes; als sei auch hier die Fantasie bei Freud durchgegangen (vgl. Freud 1926, Kap. IV, S. 23 – 33, ergänzend S. 38f, 50f). In ihr werden alle wichtigen Begriffe, von der Regression bis zur Abwehr, von der Hysterie bis zur (Zwangs-) Neurose, sowie metapsychologische Begriffe (Es-Ich-Über-Ich) irgendwie zusammengeführt, zum großen Teil in synthetischer Absicht, um gemeinsame Eigenschaften, vielleicht die eine Eigenschaft, zu ergründen, die alle möglichen Formen psychischer Gebrechen auf einen Nenner zu bringen vermag:»Die Mannigfaltigkeit in den Erscheinungen der Zwangsneurose ist eine so großartige, daß es noch keiner Bemühung gelungen ist, eine zusammenhängende Synthese aller ihrer Variationen zu geben« (aaO, S. 42)Und mitten darin der Ödipus-Komplex als alles erklärender Popanz,»Vater aller Objekte, gleichsam der Super-Bezug, in dem alles zusammenkommt und endet, von dem nicht ausdrücklich alle (Objekt-) Bezüge abhängig sind, aber doch im Wesentlichen die, die einem analyse- und therapiebedürftigen Subjekt zu schaffen machen. (Witsch 2013, S. 12).Im Ersten Teil der »Politisierung des Bürgers« (Witsch 2009, 179f) ist noch einigermaßen unbeholfen von Ödipus, einem »Theoriekonstrukt zur Entpolitisierung« des Bürgers, die Rede, heute sage ich akzentuierter, dass mit dieser Fantasie bei Freud deutlich weniger zur Sprache kommt, dass in den sozialen Strukturen oder Beziehungen Abreaktionen regelmäßig unreflektiert hochgefahren werden bis hin zu ihrer Vernichtung, letztlich um, befördert auf der Ebene staatlicher Strukturen, Profite der Rüstungsindustrie zu füttern, die sich buchstäblich von Abreaktionen ernähren und deshalb den Frieden in der Welt fürchten wie der Teufel das Weihwasser.Gegen diese systemisch bedingte kriminelle Energie hat die sogenannte Kultur, die Freud in ihrer Existenz sowohl ontogenetisch wie auch phylogenetisch gleichsam aus dem Innenleben heraus induziert sieht, noch nie viel ausrichten können, er gleichwohl in die Kultur, mit Hilfe der Psychoanalyse auf Vordermann gebracht, sehr viel Vertrauen setzte im Hinblick auf die Ausbildung sozialverträglicher sozialer Strukturen, die zusammengenommen in ihrer Vernetzung die Gesellschaft oder Gemeinschaft ausmachen. Als würde das Subjekt durch seine psychoanalytisch beförderte Kulturfähigkeit die Gesellschaft auf gleichsam natürliche Weise, um nicht zu sagen: solipsistisch, aus sich herausgebären; sozialverträglich, indem das Subjekt Triebregungen sublimiert, sozusagen unschädlich für das Gemeinwesen macht.Welch eine esoterisch motivierte, geradezu fantastische Fantasie, abgesehen davon, dass Freud für die Psychoanalyse unschätzbare Begriffsarbeit geleistet hat, stets bemüht, dem Innenleben des Subjekts auf die Spur zu kommen, auch wenn er die kritische Analyse der Kultur und gesellschaftlicher Strukturen zur Überwindung derselben generell verfehlte; generell deshalb, weil er unterschlug oder eines, ganz zentral, nicht begriff: dass das Subjekt für die Verbindung zum gesellschaftlichen Ganzen verantwortlich zeichnet, freilich auf krankhaft ab-reaktive, um nicht zu sagen reaktionäre Weise, sodass es das (psychisch) Kranke ungebremst und unmittelbar in seine soziale Umgebung bis hin in den gesellschaftlichen Kontext trägt, namentlich indem es bestimmte Vorstellungen, eben eine Verbindung, in sich generiert, um zu bestimmen, wie diese Gemeinschaft verfasst sein müsse: dass sie sich vornehmlich ab-reaktiv im Gut-Böse-Denken ausleben müsse, das sich in sozialen Beziehungen, in denen Menschen unmittelbar verkehren, sich zwar ausleben muss, sich indes auf der Ebene des Gesellschaftlichen oder globaler (politischer) Strukturen sich auf diese Weise nur zum Nachteil des Subjekts und seiner Beziehungen oder Beziehungsfähigkeit ausleben kann; zumal vor dem Hintergrund, dass wir in einem Gesellschaftssystem, dem Kapitalismus, leben, in dem der ökonomische Spielraum von immer mehr Menschen, noch dazu von der politischen Elite verschärft, immer enger wird, nicht zuletzt durch die Inszenierung von Konflikten und Kriegen; indem man sich je nach Bedarf in die inneren Angelegenheit anderer Länder einmischt, mithin diese regelmäßig ökonomisch motiviert blindwütig sanktioniert, heute zum Nachteil Europas und zum – allerdings nur vermeintlichen – Vorteil der USA.Um es ganz deutlich zu sagen: auf der außersubjektiven Ebene der internationalen Beziehungen kann das Subjekt kein Interesse haben, zumal im Atomzeitalter, dass Staaten oder Nationen sich gegenseitig den Schädel einschlagen. Es arbeitet aber emsig daraufhin: an seinem eigenen Grab, als gebe es den von Freud postulierten Todestrieb tatsächlich. Eine dumme Fantasie mehr.Die heutige Kultur ist nun weit davon entfernt, einem Denken im Gut-Böse-Schema zu widerstehen. Das macht sie, so sage ich es zum Ende des »Zweiten Gesprächs vor der Kamera« (Witsch/Kahrs 2022/06/18), zu einem großen Scheißhaufen, auch wenn dieser durchaus hin und wieder Lichtblicke der Kunst aus sich heraus erzeugt; ich sage zu einem Scheißhaufen selbst in der Weimarer Republik, also noch vor der Machtergreifung Hitlers am 30. Januar 1933.So ist es bis heute geblieben. Nur dass heute immer weniger Lichtblicke zu verzeichnen sind, stattdessen zehrt unsere Kultur von solchen aus der Vergangenheit. Ist es da ein Wunder, dass sogenannte Zeitungen des Mainstreams kaum mehr erträglich sind, zum Beispiel der SPIEGEL, das damals sogenannte Sturmgeschütz der Demokratie in den 1960er Jahren, das seit der Wende langsam aber sicher, fremdfinanziert vom großen Geld, zum Rohrkrepierer mutierte.Oder warum sind zeitgenössische Romane heute nicht mehr erträglich? In ihrem ätzenden Binnenbezug lassen sie nicht erkennen, dass sie sich für die Überwindung herrschender sozial-ökonomischer Strukturen interessieren, namentlich für die Überwindung des Gut-Böse-Denkens im Innenleben des Subjekts.Und so gilt es auch, sogenannte Lichtblicke unserer Kultur tiefergehend im Hinblick darauf zu untersuchen, ob sie nicht vielleicht dafür sorgen, dass unserer Kultur nicht in ihrem Gesicht geschrieben steht, dass sie nichts weiter ist als ein großer Scheißhaufen, und dass es sinnlos auf das Endprodukt einer Kultur, wie sie sich zum Beispiel im NS-Faschismus ausbildete, wie auf einen toten Hund einzuprügeln.Es ist schon bemerkenswert, dass wir eine solche kulturkritische Denkfigur in den kulturkritischen Schriften Freuds (1974) an keiner Stelle finden. Dort krittelt er nicht mehr als nur an der Oberfläche des sichtbar Unmenschlichen herum, etwa wenn er sagt: eine zu große sexualfeindliche soziale Umgebung sei ungesund für das menschliche Seelenleben und soziale Beziehungen. Alles müsse in Maßen ausgelebt werden. Es bedarf zwar eines Über-Ichs, das sich über das Ich wölbe, um es realitätsgerecht zu überwachen, aber allzu streng dürfe es dabei nicht zugehen, andernfalls alle möglichen Formen krankhafter Symptome sich herausbilden, die das Leben des Subjekts bis zur Unerträglichkeit erschweren würden, das Freud freilich in zu ungenügender Anpassung oder einer zu ausgeprägten Anpassung an das, was ist, verursacht sieht. Eine zentrale Denkfigur, die er ins Über-Ich projiziert, das die äußere Realität repräsentiert, wie Freud sie sich vernünftigerweise vorstellt, dass sie richtig sei.Exakt an dieser Stelle braucht es den Begriff der Abreaktion zur Entsorgung negativer Gefühle im Sündenbock nicht, die den Weg in die Vernichtung sozialer Beziehungen bereiten, der, und das ist entscheidend, Tag für Tag intim eingeübt, resp. verinnerlicht, immer wieder gegangen werden muss, damit dieser Weg sich von unten nach oben ins System, in die internationalen Beziehungen, fortpflanzen kann, und umgekehrt.Hier zeigt sich ferner, dass wir in einem in sich geschlossenen (Gesellschafts ) System, einer sogenannten Filter- oder Wohlfühlblase[2], leben, das seine Arbeitsweise als »richtig« und »wahr«, so und nicht anders, aus sich selbst heraus erschließt, um alles Artfremde oder Negative von sich fernzuhalten, zumal ohne Maß, das von außen in sie eingelassen wäre als etwas, was ihren sozialen Strukturen fremd ist, um diese am selbigen Maß messen zu können im Hinblick darauf, ob es in ihnen sozialverträglich zugeht oder nicht. Das geht vorhersehbar schief, wenn das Maß aus jenen sozialen Strukturen sich ergeben würde. Wenn Maß und zu Messendes gleichen Ursprungs sind; ich meine zirkelschlüssig, wie in (Witsch 2025/07/29) beschrieben.[3]Dieser Zirkelschluss, den »Mensch als Maß aller Dinge« (Protagoras) zu deuten, und damit auch seiner selbst, macht unsere Lebensweise in unserem (Gesellschafts-) System generell aus, somit Abreaktionen überall und allgegenwärtig als legitim betrachtet werden können; genauer: unreflektiert legitimiert an den Feinden der Gemeinschaft, die sie aus sich selbst heraus schafft, ggf. inszenieren muss, um dem Mitglied der Gemeinschaft das Gefühl zu geben: ich lebe in einer Gemeinschaft, die mich beschützt gegen alle Kriminellen dieser Welt, die es daher verdienen, dass man sie vernichtet. Um nicht zu sagen: der Nazi braucht seinen Juden, die kommunistische Weltverschwörung, so wie wir heute den Sozialschmarotzer oder Putin, den Massenmörder, brauchen, um uns als Gemeinschaft zu fühlen. Das schafft keine Kultur allein nur aus sich selbst heraus, will sie sozialverträglich sein. Dafür braucht sie eine unverrückbare Moral, die da sagt: auch ein Straftäter muss Grundrechte unmittelbar einklagbar in Anspruch nehmen können, das heißt, sie braucht über jeder besonderen Moral zur Kontrolle einer beliebigen singulären sozialen Struktur, eine übergeordnete Moral zur Kontrolle des gesellschaftlichen Ganzen, die sich allerdings auf natürliche Weise in den singulären sozialen Strukturen, insbesondere den intimen sozialen Beziehungen, nicht zu halten vermag, die man ihnen aber als etwas, das ihnen fremd, zumuten muss; oder es gibt irgendwann Grundrechte für niemanden mehr. Dann gerät eine Gemeinschaft, so bedeute ich es im »Ersten Gespräch vor der Kamera« (Witsch/Kahrs 2022/04/30) auf eine schiefe Ebene in den Abgrund hinein. Zumal soziale Strukturen, mit sich selbst nicht identisch, nicht bleiben, was sie sind; im Kapitalismus, der es mit immer mehr Menschen immer weniger gut meint, immer grausamer werden auf einer nach oben gerichteten Richterskala. Auf dem Weg in den Abgrund sich kranke, ich meine realitätsphobische psychische Dispositionen ausbilden, massenhaft im Kontext sozial-ökonomischer Strukturen, unerkennbar im Kontext einer »Normalisierung der Störung«, mit denen wir Bürger wie die Lemmingen so ungebremst wie wahnhaft in den Abgrund, die allseitige Zerstörung, schlafwandeln. Dafür gibt es zahlreiche Indizien, die ein Licht werfen darauf, wie es um unsere sozialen Strukturen bestellt ist, nicht gut, wie das Beispiel in Gestalt des Weimarer Familienrichters Christian Dettmar illustriert: Er»hat seinen Job verloren und steht vor dem Nichts. Er wurde rechtskräftig verurteilt, weil er in einem Urteil zum Maskenzwang Formfehler beging: Er hätte zu seiner Kommunikation mit den Betroffenen Aktenvermerke anlegen müssen. Plötzlich stand er als Verschwörer da. Keine Instanz beschäftigte sich mit der Sache an sich. Die von Dettmar angeforderten Gutachten wurden nicht gewürdigt – obwohl die RKI-Files und andere wissenschaftliche Erkenntnisse die Fragwürdigkeit der Maßnahmen im Nachhinein vollumfänglich bestätigten. Protokoll eines Falls, bei dem man den Glauben an die Gerechtigkeit verlieren könnte« (BZtg 2025/08/01, ergänz.: TPost 2024/08/08).Für die Psychoanalyse, allen voran Freud, sowie für die Sozialtheorie (zum Beispiel Detel 2011, ergänz. Kap. 12.h.7, S. 344) kein Thema, vielleicht ja ein Einzelfall, indes einer, der heute immer mehr Schule macht im Kontext einer realitätsphobischen Mentalität, die alles weg beißt, was nicht ins »eigene« (Welt ) Bild passt. Für die Psychoanalyse seit Freud tiefergehend keine Thema deshalb, weil sie einen Außen- oder Realitätsbezug transportiert, der sich realitätsphobisch komplett im Binnenbezug aufgelöst sieht, sodass schlussendlich dem einzelnen Subjekt an Kritik aufgebürdet wird, die eigentlich primär dem Systemganzen zukommen müsste. Dieses Ganze geht bei Detel (2011) nicht weniger schlussendlich in der Fähigkeit des Subjekts auf, eine Regel zu verstehen, um sie im wohlverstandenen Interesse aller (für das Ganze) befolgen zu können, also darin, Gehorsamkeit gegenüber der Obrigkeit zu üben.In (Witsch 2013a, S. 76ff) beschreibe ich diese behaviorale Denkfigur als – heute sage ich: realitätsphobischen – Zirkelschluss, der sich auf freudschen psychoanalytischen Denkfiguren durchaus übertragen lässt,»denn natürlich sind soziale Strukturen und ihre Entwicklung regelgeleitet: normativ beschreibbar, aber aus sich selbst heraus nicht sozialverträglich entwicklungsfähig, wenn sie sich nicht an etwas messen lassen, das ihnen fremd oder nicht in ihnen enthalten ist: an einem Allgemeininteresse, das den sozialen Strukturen über Erziehungs- und Lernprozesse zu assimilieren ist, weil es sich auf natürliche Weise in ihnen nicht zu halten vermag (Witsch 2013, S. 165f). Ein solches Allgemeininteresse müssen wir wollen in einer Zeit, in der universale Strukturen vollständig erodiert sind und daher auf überzeugende Weise aus sich selbst heraus ein Allgemeininteresse nicht mehr repräsentieren können (Witsch 2009, S. 41f). Man will es dennoch immer wieder, indem man vermeintliche Allgemeininteressen kurzschlüssig und universalistisch in irgendein imaginäres Ganzes projiziert, etwa in Gott oder das Gute im Menschen, das dereinst das Böse besiegen möge, für eine gute Welt, allerdings nur als Verheißung, in die Gefühle unendlicher Sehnsucht zirkelschlüssig und ad infinitum projiziert werden (Witsch 2012, Kap. 3.3.2.2)«.Nur dass die Nachricht, dass universale Strukturen und an sie gebundene moralisch motivierte Wahrheiten heute nicht mehr existent sind, bei Freud noch nicht, was verständlich ist, aber heute bei Detel immer noch nicht angekommen ist.Umso verbissener werden sie noch heute, jedenfalls von Detel, als unvermeidlich gegen den Post-Strukturalismus postuliert; zirkelschlüssig: Es müsse Regeln geben, ohne die eine Gesellschaft nicht funktioniere. Auch wenn sich, räumt Detel ein, Regeln auch mal ändern; aber sie dürfen sich nicht regellos ändern. Dafür müsse es eine Elite geben, die besten Köpfe eines Landes, die darüber befinden, ob eine Regeländerung den Bestand des Ganzen, der Gesellschaft, zerstöre oder eben nicht. Dazu heißt es bei (Detel 1998, S. 302f):»Für eine taggenaue Ordnungslogik zeichnen die jeweils besten Köpfe der Gesellschaft verantwortlich. Sie stünden für die wichtigsten Prinzipien der Entscheidungstheorie, so Detel; weiter heißt es bei ihm: ’Welche sozialen Regeln wir ob ihres Ausschlusscharakters kritisieren, und welche wir im Gegenteil gerade deswegen akzeptieren wollen‘, hänge von unseren besten evaluativen Standards ab, die es geben müsse vor ’dem Hintergrund der Tatsache, dass in einem normen- und regelfreien Raum weder Handlungen noch Freiheiten im wünschenswerten Ausmaß möglich sind‘« (zitiert nach Witsch 2012, S. 173).Und wer repräsentiert »unsere besten evaluativen Standards«? Keine Frage: dafür zeichne die »scientific commuinity«[4] verantwortlich.Ein veritabler Zirkelschluss, wie er im Buche steht, der realitätsphobisch jede reale Konfliktposition, die den Zirkel auflösen würde, interessegeleitet wegdeutet, bzw. ggf. brutal von oben nach unten durchgereicht auflöst, das heißt, die mit Konflikten einhergehenden negativen Gefühle – Freud spricht von Angstsignalen (Freud 1926, Kap. VIII, S. 56 – 69) – entsorgt, abführt oder verdrängt. Nur dass das für Freud ein ganz natürlicher Vorgang im Sinne einer Voraussetzung für ein gesundes Innenleben ist und – natürlich – auch im Sinne Detels für eine gesunde Kultur oder Gesellschaft, wobei die Psychoanalyse (Freud) sowie die Sozialtheorien generell (Detel, Habermas etc.) den von außen induzierten (sozial und ökonomisch motivierten inneren) Mechanismus unterschlagen, der den gesunden inneren Vorgang, bei Detel eine Regel zu verstehen, in einen solchen der (Selbst-) Zerstörung verwandeln, wenn gewisse Regeln, etwa eine Impfpflicht oder Sanktionen gegen Russland, interessengeleitet, ggf. brutal durchgesetzt werden, im wohlverstandenen Interesse aller, versteht sich.Anmerkungen[1] Adorno zufolge werden Begriffe im Sinne einer Totalität verwendet, als genügten sie sich selbst, wiewohl ihnen in Wirklichkeit im Hinblick auf partikulare Interessen ein verdinglichender Gebrauchswert zukomme, der eine – gleichwohl stets fragile, sich selbst nicht genügende oder doch allzu selbstgenügsame – Identität herauszubilden vermag, »damit Leben überhaupt, sogar unter den herrschenden Produktionsverhältnissen, fortdauere«. Auf gut Deutsch: das System braucht, um fortdauern zu können, seine Arschlöcher, die es bedienen.Weiter heißt es bei Adorno: Begriffe, wiewohl »Momente der Realität«, würden allerdings »das Nichtbegriffliche als ihren Sinn einschließen«; Aufgabe der Philosophie sei es nun, sich des Nichtbegrifflichen im Begriff zu versichern. »Sonst wäre dieser (…) leer, am Ende überhaupt nicht mehr der Begriff von etwas« (Adorno 1970, S. 22f), also zunächst von etwas noch nicht Begriffenem.Ich möchte ergänzen: das nicht begriffene Unsagbare öffnet sich seiner Verbegrifflichung, indem es mit Hilfe der Kunst im Inneren zunächst etwas auslöst, zunächst unbegriffen, das aber, wie es in (Kap. 13.g.1, S. 64) heißt, einer sich selbst nicht genügenden Verbegrifflichung zugänglich gemacht werden kann.[2] Vgl. Kap. 2, S. 28: »Filterblasen: operieren mit »gefühlten Wahrheiten«.[3] Vgl. ferner Kap. 5, S. 84 – 100: »Die herrschende Sozialtheorie: nicht gesellschaftsfähig«.[4] So Detel in einer an mich gerichteten E-Mail. Siehe Kap. 12, S. 344 (12.h.7): »Psychoanalyse des Alltags im Widerstand gegen faschistische Gesinnungen«.[5] Diese speisen sich Freud zufolge aus der Wiederbelebung des Geburtstraumas des Neugeborenen, das dieser an der Mutterbrust (im Saugreflex) abführt, entsorgt oder abreagiert, sozialverträglich, während der Erwachsene nicht selten seine Ängste, negative Gefühle, Spannungen etc., brutalstmöglich abreagiert, als ertrage er es wie der Säugling nicht, mit einer ihm fremden Welt konfrontiert zu werden oder zu sein, dafür er sich seine Feinde (von Freiheit und Demokratie) inszeniert. Das ist keine Unterstellung, liegt die Beweislast, dass der Politiker mental nicht so disponiert ist, doch ausschließlich beim selbigen Politiker.Quellen BZtg (2025/08/01). Der unbeugsame Richter aus Weimar: „Es waren sehr, sehr belastende Jahre“. Ein Richter entscheidet gegen die Corona-Maßnahmen. Heute weiß man: Er hatte recht. Doch das half ihm nicht. Er verliert seinen Job.Freud, Sigmund (1909). Analyse der Phobie eines fünfjährigen Knaben.Freud, Sigmund (1918). Aus der Geschichte einer infantilen Neurose.Freud, Sigmund (1926). Hemmung, Symptom und Angst. Reclam-Verlag (zitiert nach der Ausgabe von 2022).Freud, Sigmund (1974). Kulturtheoretische Schriften. Frankfurt/Main. Verlag; Fischer Taschenbuch.TPost (2024/08/08). Aufarbeitung der COVID-19-Pandemie: RKI-Files: »Öffentlichkeit und Gerichte wurden klar belogen«. Das Robert-Koch-Institut setzte bei Corona um, was immer an sachfremden und willkürlichen Vorgaben vom Ministerium kam, meint der Hochschullehrer und Maßnahmenkritiker Stefan Homburg.Witsch, Franz; Kahrs, Wilfried (2022/04/30). Erstes Gespräch vor der Kamera.Witsch, Franz; Kahrs, Wilfried (2022/06/18). Zweites Gespräch vor der Kamera.Witsch, Franz (2025/07/13). E1 Leerbegriffs-Psychoanalyse ohne Realitätsbezug. QPress.de.Witsch, Franz (2025/07/29). E2 Zirkelschluss-Analyse oder wie es die Psychoanalyse (Freud) schafft, den Realitätsbezug aufzulösen. QPress.de.Witsch, Franz (2009). Die Politisierung des Bürgers. Beiträge zur Wahrnehmung und Produktion sozialer Strukturen. Erster Teil: Begriff der Teilhabe. Norderstedt. Verlag: BoD (zitiert nach der Ausgabe von 2015).Witsch, Franz (2012). Die Politisierung des Bürgers. Beiträge zur Wahrnehmung und Produktion sozialer Strukturen. Zweiter Teil: Mehrwert und Moral. Norderstedt. Verlag: BoD (zitiert nach der Ausgabe von 2017).Witsch, Franz (2013). Die Politisierung des Bürgers. Beiträge zur Wahrnehmung und Produktion sozialer Strukturen. Dritter Teil: Vom Gefühl zur Moral. Norderstedt. Verlag: BoD (zitiert nach der Ausgabe von 2017).Witsch, Franz (2013a). Die Politisierung des Bürgers. Beiträge zur Wahrnehmung und Produktion sozialer Strukturen. Vierter Teil: Theorie der Gefühle. Norderstedt. Verlag: BoD (zitiert nach der Ausgabe von 2015).Der Beitrag »Massenpsychologie und Ich-Analyse« (Freud) oder wenn der Wahn die Massen ergreift. Dritter Teil – Version-1 erstrahlte zuerst auf QPress.