Eichstätt – Einschüchterung, Drohungen, Enteignung, Exil und Deportation – das alles musste Familie Geiershoefer aus Allersberg am eigenen Leib erleiden. In der Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 gab es in dem Markt bei Nürnberg, wie an vielen anderen Orten des Reichs auch, Gewaltexzesse. Nahezu komplett leer geplündert wurde das Wohnhaus der Familie: Das vom Eichstätter Baumeister Gabriel de Gabrieli errichtete, barocke Giliardihaus. Auf diesen Besitz hatten es die Nationalsozialisten abgesehen. Der ehemaligen Firmeninhaberin Else Geiershoefer und ihrem Sohn Erik wurde körperliche Gewalt angedroht, sie wurden erpresst, verhaftet und ins Gefängnis nach Hilpoltstein gebracht. Schließlich wurden sie gezwungen, ihr Unternehmen, die Jakob Gilardi Christbaumschmuck-Fabrik, weit unter Wert zu verkaufen.Diese Geschehnisse beleuchten das Buch „Lange Schatten des Unrechts“ und eine gleichnamige Wanderausstellung. Entstanden ist beides im Rahmen eines außergewöhnlichen Lehrforschungsprojekts an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Über drei Semester lang haben Studierende der Fächer Geschichte und Journalistik gemeinsam mit Vanessa Conze, Professorin für Neuere Geschichte, mehr als 5.000 Seiten Quellenmaterial gesichtet und ausgewertet. Umfangreich haben sie in Archiven, etwa im Staatsarchiv in Nürnberg, geforscht. Dort befinden sich auch staatsanwaltschaftliche Ermittlungsunterlagen sowie Akten eines Strafprozesses gegen die Tatbeteiligten von 1948, in dem die Ereignisse von 1938 verhandelt wurden. Durch diese Dokumente war es möglich, mehr über die Täterseite zu erfahren: Wie handelten nationalsozialistischer Staat und nationalsozialistische Gesellschaft? Und: Wie ging und geht die demokratische Nachkriegsgesellschaft mit dieser Vergangenheit um? „Das Beispiel der Familie Geiershoefer ist ein eindrucksvolles Zeugnis, das über einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten die Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Verfolgung und ihrer Nachgeschichte aus der Perspektive der Opfer sichtbar macht“, so Vanessa Conze. Zusammen mit ihren Studierenden wurde sie für die gemeinsame Forschungsarbeit Anfang Juni mit dem „Transferpreis – Wissenstransfer und Wissenschaftskommunikation“ der KU Eichstätt-Ingolstadt ausgezeichnet. Sich in den vergangenen eineinhalb Jahren, zumal in Zeiten eines sich massiv verstärkenden Antisemitismus und Rechtsradikalismus, mit den individuellen historischen Schicksalen auseinanderzusetzen, war für die Studierenden eine berührende Erfahrung. „Es hat den Studierenden die Tatsache vor Augen geführt, dass die nationalsozialistische Verfolgung die Leben von Menschen über Jahrzehnte geprägt hat und nicht mit 1945 abgeschlossen war“, erklärt Vanessa Conze.  Menschen seien durch die Ereignisse der Jahre nach 1933 aus ihrer Lebensbahn geworfen wurden. Ihnen seien Rechte, Besitz, soziales Kapital, Gesundheit und oft das Leben geraubt worden.