«Europa muss sich neu konstruieren», antwortet Kristina Scheyhing auf die Frage, was nach der EU kommt. Sie gehört zu denjenigen, die der Europäischen Union seit 2020 noch weniger vertrauen als zuvor. Die Schauspielerin aus Hannover, die vor vier Jahren die kritische Straßenperformance «Schneemänner mit Würde» kreierte, wurde erst recht misstrauisch, als EU-Präsidentin Ursula von der Leyen die Bürger dazu aufforderte, nur noch Informationen aus offiziellen Quellen zu glauben.Die undurchsichtigen Vorgänge rund um die Impfstoff-Beschaffungen gaben Scheyhing den letzten Rest: «Das war's für mich – wenn die EU uns dabei hinters Licht führt, dann macht sie das auch bei anderen Dingen.» Sie hatte sich von der Europäischen Union mehr Transparenz über die Verwendung von Geldern und einen schlanken Beamtenapparat erwartet, aber inzwischen ist die EU für sie nicht mehr reformierbar: «Das ist so ähnlich wie mit der Aufarbeitung der Corona-Zeit in Deutschland. Wenn die Verantwortlichen die Enquete-Kommissionen leiten oder auch nur mit dabei sind, dann wird das nichts. Genauso verhält es sich mit der EU.»Keine Fremdbestimmung«Jede Form von Herrschaft führt immer wieder zu Entfremdung, Ohnmacht und verhindert so die Selbstorganisation – also genau das, was wir Menschen wirklich brauchen», ist Christine Tan überzeugt. Die Unternehmerin lebt in Berlin und engagiert sich bei der Initiative «Wir sind viele». Nationalstaaten oder «politische Konstrukte», wie die EU, lehnt sie inzwischen ab. Denn es mache «einfach keinen Sinn, dass für Griechenland zum Beispiel die gleichen Regeln gelten wie für Finnland».Der Weg zur Unabhängigkeit führt für Tan über das Bewusstsein, «dass die eigentliche Kraft in uns allen liegt». In den «Corona»-Jahren hätten viele erlebt, dass sie einer Übermacht durch Zusammenhalt und positive Energie entgegenstehen können. Ausgelöst durch übergriffige Regierungen erkannten immer mehr Menschen, dass sie gute Organisationsstrukturen in sich haben und keine Fremdbestimmung brauchen. «Und deswegen werden diese Kontrollmechanismen letztendlich nicht funktionieren», so Tan. «Die Menschen sind einfach zu kreativ und finden Lösungen».«Das geht ohne EU»«Ich bin Sozialdemokrat und kein Sozialist. Und finde es durchaus wichtig, sich Gedanken darüber zu machen, dass bestimmte Dinge aus einer oberen Ebene heraus besser geregelt werden können. Aber eben nur bis zu einem gewissen Grade», so Martin Adam von «Emma-Events». Die einzelnen Länder haben ihre Unterschiede und die sollten sie laut dem Web- und App-Entwickler auch behalten.Die Bürger seien selber in der Lage, für sich Entscheidungen zu treffen, weiß auch Adam. «Das geht ohne EU.» Er frage sich allerdings, wie gesittet die Suche nach neuen Wegen der Zusammenarbeit in Europa ablaufen wird. Und er vermisst Interesse und Bemühungen jedes Einzelnen, um als Gesellschaft voranzukommen: «Zu viele jammern nur, anstatt gemeinsam mit anderen Lösungen zu erarbeiten.»Die Endphase«Diese EU ist gescheitert», stellt Andreas Beck sehr sachlich fest. Eines habe sich für dem Fahrschulbesitzer, der nach wie vor jeden Montag mit der Gruppe «Chemnitz steht auf» demonstriert, in den vergangenen fünf Jahren sehr deutlich gezeigt: «Das funktioniert nicht mehr.» So ein altes Gebiet wie Europa mit diesen vielen starken Nationalstaaten könne nicht einfach zu einem «Imperium mit einer Zentralregierung» zusammengeschweißt werden.«Italiener oder Franzosen sind doch kulturell völlig anders aufgestellt als wir Deutschen. Die Ideengeber der EU haben das wohl schon eher erkannt.» Deshalb wird laut Beck versucht, die Nationen zu brechen und Kulturen zu zerstören, um eine zentrale Regierung zu installieren.Und der Chemnitzer fügt hinzu, dass die Europäische Union «eine coole Geschichte gewesen wäre», wenn Nationalstaaten wirklich Hand in Hand zusammengearbeitet und nach außen eine gemeinsame Politik vertreten hätten, die auf Frieden beruht. «Aber nicht so, wie das hier abgelaufen ist.»Zum Scheitern verurteilt sei die EU schon wegen ihres Aufbaus, erklärt Beck. Weil in Brüssel Leute zusammenkamen, «die eigentlich nichts können und deshalb so leicht steuerbar sind». Auch die Abgabe von Hoheitsrechten an die EU sieht er als Problem.Die EU zerlege sich zwar selbst, aber als große Gefahr sieht Beck, dass der Ablauf und die Richtung völlig unklar seien. «Dem Projekt EU läuft die Zeit davon, und in der Endphase wird noch versucht, alles Mögliche überstürzt durchzuziehen.» Genau wegen dieser Unsicherheiten dürfe sich die außerparlamentarische Opposition nicht entspannt zurücklehnen. «Deshalb bleiben wir in Chemnitz und vielen anderen Städten weiterhin sichtbar.»