Die Hausverwaltung hatte einen Zettel im Hausflur und im Aufzug angebracht: «Ab Montag, dem 21. Juli 2025, finden Arbeiten auf dem Dach statt. Der Grund dafür – Errichtung einer Mobilfunkanlage. Die Arbeiten dauern voraussichtlich zwei Wochen.» Der Nachbar nebenan, der schon seit Jahren in dem Mietshaus wohnt, wusste auch nichts davon und meinte nur, «so eine Antenne ist doch eine gute Sache, oder nicht?»Die Arbeiten gingen schneller voran als gedacht. Und am Freitag, den 25. Juli, also bereits nach fünf Tagen, nahm die Mobilfunk-Basisstation ihren Betrieb auf. Dazu brauchte es weder eine Vorwarnung noch ein Schreiben. Denn die Funkstrahlung war physisch zu spüren.«Erzähl doch mal, wie sich das anfühlt. Ich kenne sonst niemanden persönlich», sollte eine Freundin einige Tage später fragen. So eine neue 4G- und 5G-Mobilfunk-Sendeanlage auf dem Flachdach, mit einer Wohnung dazwischen, kann folgende Auswirkungen haben: Am ersten Abend ein Kribbeln der Haarwurzeln, ein seltsames Gefühl auf den Armen und Beinen – wie Ameisen unter der Haut, die Handflächen und Fußsohlen brennen. In der Nacht lautes Herzklopfen, das auch vom plötzlich verstärkten Tinnitus nicht übertönt wird. Ab dem nächsten Tag Brennen in der Brust, Gelenk- und Muskelschmerzen, Übelkeit, Gereiztheit, Konzentrationsstörungen.Kurz gesagt: Es fühlt sich an wie Folter. Nach drei Nächten mit einem Abstand von fünf Metern zu jeweils zwei 5G- und 4G-Antennen herrscht Verzweiflung pur und das Leben erscheint sinnlos.Ein Gefühl von Ohnmacht überwiegt, wenn die eigene Wohnung unbewohnbar wird und weder die Hausverwaltung noch die Stadt sich zuständig fühlen. Auf eine verzweifelte E-Mail Sonntagnacht reagierte erstere überhaupt nicht. Das Amt für Umwelt- und Gesundheitsschutz antwortete immerhin schon am Montagmorgen und empfahl, sich bei Herzproblemen an einen Arzt zu wenden, aber es ignorierte die neu errichtete Mobilfunkanlage.Montag war somit klar: Raus aus der Wohnung. Aber wohin? Eine schnelle Lösung musste her. Zwei Freundinnen, die während der vorgetäuschten Pandemie ebenfalls nach Schweden gezogen waren, stellten sofort ihre Wohnung zur Verfügung. Sie waren nicht in der Stadt, ihre Nachbarin hatte den Schlüssel.Am Zufluchtsort angekommen, ließen die Beschwerden sofort nach, vor allem dieses wattigweiche Gefühl im Kopf. Die bleierne Erschöpfung und der Schock hielten allerdings noch an. Konzentriertes Arbeiten war unmöglich.Rasche Unterstützung kam auch von der Strålskyddsstiftelsen, der schwedischen Stiftung für Strahlenschutz, die ich gleichzeitig mit der Stadt und der Hausverwaltung angeschrieben hatte. Die Direktorin Mona Nilsson schickte ausführliches Informationsmaterial und einen Musterbrief, für das Gesundheitsamt gedacht, in dem Messwerte und Symptome einzutragen waren. Nilsson wusste auch, wer ein Strahlungsmessgerät vermietet, und erklärte telefonisch dessen Handhabung.Unwillig ging es also zurück in die alte Wohnung, um an einem Sonntag im August folgende Werte zu messen: Esstisch, direkt unter der Mobilfunkanlage: 3.250 Mikrowatt pro Quadratmeter (µW/m2), bei offener Balkontür 14.500 µW/m2; Bett: 1.530 µW/m2, bei offenem Fenster 6.660 µW/m2; Balkon zum Hof: 269.000 µW/m2; Balkon zum Park: 90.300 µW/m2;Die offiziellen Grenzwerte liegen bei 10.000.000 µW/m2. Es erübrigt sich fast, zu erwähnen, dass die Stadt auf das Schreiben mit den Messwerten und einer ausführlichen Beschreibung der Symptome bis zur Veröffentlichung dieses Beitrags nicht reagiert hat.Ein TabuDas Stichwort Mikrowellensyndrom fällt in den vielen Gesprächen mit Freunden, Kollegen und Bekannten. Einige erzählen erst jetzt von ähnlichen Beschwerden und notgedrungenen Übersiedlungen. Als würde es sich bei 5G um ein Tabuthema handeln.Nach der Flucht zu den Freundinnen folgten vier Wochen in einer Sommerhütte, Urlaub in den österreichischen Bergen und ein Recherche-Aufenthalt in Deutschland. Die Symptome nahmen währenddessen immer weiter ab. Was blieb, waren brennende Fingerkuppen und manchmal Herzklopfen, ausgelöst durch Tippen auf dem Laptop oder dem Mobiltelefon, und dieses Kribbeln am Kopf und Körper in der Nähe von Mobilfunkanlagen.Zurück in Schweden stand Anfang Oktober die neue Mietwohnung bereit – mit der nächsten Mobilfunk-Basisstation in 190 Metern Entfernung. Drei Tage dauerte das Packen der Umzugskartons in der alten Bleibe, lang genug, um die Beschwerden wieder hervorzurufen. Im Haus auf der anderen Seite des Hofes, genau gegenüber der Mobilfunkanlage, scheint die Wohnung der jungen Familie ebenfalls leergeräumt, was für eine Erleichterung – sie hatten ihr Baby im Kinderwagen immer hinaus auf die Dachterrasse geschoben. Und vielleicht finden alle ehemaligen Nachbarn demnächst das Informationsmaterial der Stiftung für Strahlenschutz in ihrem Briefkasten.