Der NDR bewirbt geführte nächtliche Gruppenspaziergänge für Frauen in Emsland. Dass sich deutsche Frauen, speziell im Stadgebiet, nachts ängstigen, außer Haus zu gehen – das wäre nur ein Problem des Selbstbewusstseins. Und das könne man durch geführte Gruppenwanderungen beheben. Die Redaktion von Report24 hat gewisse Zweifel, dass das Sicherheitsproblem auf deutschen Straßen am Selbstbewusstsein scheitert. Ob Selbstbewusstsein auch gegen Messer hilft, blieb offen.Bis Dezember setzt der Landkreis Emsland auf die Initiative „Nightwalks“ – begleitete Spaziergänge durch dunkle Straßen, die Frauen Mut machen sollen, sich auch in der Nacht sicherer zu fühlen. Eine “Veranstaltungsreihe”, die mehr über den Zustand der Gesellschaft verrät, als vielen bewusst ist. Denn wenn Frauen sich in Gruppen durch vertraute Städte führen lassen müssen, um ihre Angst vor der Dunkelheit zu überwinden, dann geht es längst nicht mehr nur um subjektive Befindlichkeiten, sondern um ein tiefes Sicherheitsproblem. Die Bewerbung durch den NDR hat in sozialen Medien für sehr viel Resonanz gesorgt.Angeleitet werden die nächtlichen Rundgänge von der “Selbstbehauptungstrainerin” Gaby Bothe. Sie spricht mit den Teilnehmerinnen über Angstmechanismen, Intuition und Verhaltensstrategien, etwa darüber, wie man reagieren kann, wenn man bedrängt oder in die Enge getrieben wird. Körperliche Selbstverteidigung spielt dabei interessanter Weise keine Rolle – es geht nicht um Kampftechniken, sondern um mentale Stärkung und den Versuch, Kontrolle über die eigene Furcht zurückzugewinnen. Die Gleichstellungsbeauftragte Marlies Kohne, die das Angebot koordiniert, betont, dass es sich nicht um ein Verteidigungstraining handle, sondern um ein pädagogisches Format, das Frauen ermutigen soll, ihre Wahrnehmung zu schärfen und ihre Umgebung selbstbewusster zu erleben.Der Hintergrund dieser Initiative ist klar: Frauen empfinden den öffentlichen Raum zunehmend als unsicher. Laut Bundeskriminalamt meiden sie deutlich häufiger als Männer Orte, die mit Dunkelheit, Isolation oder unübersichtlicher Umgebung verbunden sind. Diese Ängste sind nicht unbegründet. Deutschland verzeichnet seit Jahren einen Anstieg an Gewalttaten mit Messern. Messer- und sexuelle Gewalt explodierenIm Jahr 2024 wurden laut offizieller polizeilicher Kriminalstatistik 29.014 Delikte registriert, bei denen ein Messer zum Einsatz kam – darunter Körperverletzungen, Raub und Bedrohung. Schon 2023 meldeten die Behörden fast 9.000 schwere Körperverletzungen durch Messerangriffe, Tendenz stark steigend. Inzwischen sprechen Ermittler von einem gesamtgesellschaftlichen Phänomen, das sich quer durch Städte und Altersgruppen zieht. Was sie nicht ansprechen, ist der Elefant, der spätestens seit 2015 mitten im Raum steht.Nicht weniger alarmierend sind die Zahlen zu Sexualdelikten. 2024 wurden 127.775 Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung erfasst. In 26.833 Fällen ging es um sexuellen Missbrauch, in über 13.000 um Vergewaltigung oder sexuelle Nötigung. Die Aufklärungsquote lag zwar bei über 80 Prozent, doch das Dunkelfeld bleibt enorm. Immer wieder weisen Fachleute darauf hin, dass viele Opfer aus Scham oder Angst vor sozialer Stigmatisierung keine Anzeige erstatten. Parallel dazu meldete das Bundesinnenministerium für 2023 fast 940 weibliche Todesopfer durch versuchte oder vollendete Tötungsdelikte.Deutsche Politik bekämpft bestenfalls SymptomeDiese Daten zeichnen das Bild einer Gesellschaft, die sich zunehmend mit Symptombekämpfung zufriedengibt. Während Frauen in begleiteten Spaziergängen lernen sollen, mit der Angst umzugehen, bleiben die Ursachen weitgehend unangetastet. Über polizeiliche Präsenz, rechtliche Konsequenzen oder Präventionslücken wird kaum gesprochen. Stattdessen wird die Verantwortung auf die Individuen verlagert – auf jene, die sich schützen sollen, ohne tatsächlich vor den Tätern geschützt zu werden, die jeder kennt – auch die heuchlerischen Linken, welche die Ursache leugnen und die Opfer verhöhnen.Mut ersetzt keine SicherheitDass der erste „Nightwalk“ in Haren (Ems) mit 20 Teilnehmerinnen sofort ausgebucht war und weitere Termine folgen, zeigt einerseits den Bedarf, andererseits die Verunsicherung vieler Frauen. Die Organisatorinnen wollen Mut machen – doch Mut ersetzt keine Sicherheit. In einer Zeit, in der Messerattacken und sexuelle Übergriffe zur statistischen Normalität geworden sind, wirken solche Programme wie symbolische Beruhigungspillen. Sie kaschieren eine Realität, in der Frauen abends nicht angstfrei unterwegs sein können, weil die Politik nicht bereit ist, den Ursachen ins Auge zu sehen. Das Motto „Angstfrei durch die Nacht“ bleibt ein frommer Wunsch in einem Land, das seine Sicherheit zunehmend dem Zufall überlässt. Vielleicht sollte man in Polen fragen, wie das geht – dort kennen Frauen das Problem nicht.