11. 11. 2025 | Da viele von Ihnen auch die Nachdenkseiten lesen, erreichten mich einige Bitten um Stellungnahme dazu, dass die Nachdenkseiten in einem Beitrag zur Diskussion um den digitalen Euro zu einer insgesamt positiven Beurteilung kommen, obwohl sich viele Argumente mit meinen decken. Hier will ich deshalb die drei Aspekte aufzeigen, derentwegen unser Urteil trotzdem so weit auseinanderliegt.Unabhängig voneinander haben Jens Berger, Chefredakteur der Nachdenkseiten, und ich Kommentare zur Stellungnahme des Berichterstatters des EU-Parlaments zum digitalen Euro veröffentlicht. Darin wird die Kommission aufgefordert, sich zunächst auf einen digitalen Euro für den Geldverkehr zwischen Banken und auf einen Offline-Digitaleuro für das breite Publikum zu konzentrieren. Sinn und Notwendigkeit eines Online-Digitaleuros in Konkurrenz zu vorhandenen privaten Bezahlsystremen werden dagegen angezweifelt.Jens Berger und ich sind uns einig, dass ein digitaler Euro, so wie er geplant ist, den Bürgern keinen Mehrwert bietet, weil Ihnen der rechtliche Status des Zahlungsmittels egal sein kann, und weil es keinen Bedarf gibt, das digitale Bezahlen (noch) einfacher und unkomplizierter zu machen. Auch seinem Argument, dass in Sachen Datenschutz das digitale Bezahlen mit Karte, Paypal, Apple Pay und Co. eher noch schlechter ist als ein digitales Zentralbankgeld, kann ich mit einer Einschränkung – zu der wir noch kommen werden – zustimmen. Wir sind uns auch einig, dass die Stellungnahme des Berichterstatters des EU-Parlaments vor allem die Interessen der privaten Finanzbranche im Blick hat, nicht die der Bürger.Dann folgen bei Berger die Aussagen, bei denen sich unsere Argumentationswege trennen. Er schreibt:„Den digitalen Euro aus Datenschutzgründen zu verteufeln, ist jedoch ein zweifelhaftes Unterfangen, das zu Ende gedacht nur den amerikanischen Datenkraken nutzt. Deren Produkte sind die eigentliche Konkurrenz zum digitalen Euro und nicht das Bargeld. Wenn ich lieber bar zahle, kann ich das auch machen, wenn es künftig einen digitalen Euro gibt. Konkrete Pläne, die Annahme von Bargeld zu verbieten, wenn es den digitalen Euro gibt, kenne ich jedenfalls nicht.“Tatsächlich ist die finanzielle Souveränität inzwischen zum Hauptargument für den digitalen Euro avanciert, nachdem die anderen Argumente, die man vorher in den Vordergrund geschoben hatte, sich als untauglich herausgestellt haben. Aber wollen wir wirklich glauben, dass die gegenüber den USA so überaus willfährige EU-Kommission sich auf diesem, den USA so wichtigen Gebiet tatsächlich durchsetzen kann und will?Vorarbeiten zum digitalen Euro wurden in einer Arbeitsgruppe der Zentralbanken bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Basel erledigt. Dort blieb tatsächlich zuerst die US-Zentralbank außen vor. Es dauerte aber nicht lange, dann wurde sie hineingelassen. Die EZB kooperiert auch bei der Entwicklung des digitalen Euro mit US-Konzernen und will Daten in der Cloud eines US-Konzerns speichern. Wo bleibt da die digitale Souveränität. Die EZB soll keine Kontrolle über die technischen Zahlungsinstrumente bekommen. Die Banken und Kartenanbieter würden den digitalen Euro auf ihren Karten und Smartphone-Apps integrieren. Wenn die US-Anbieter eine starke Rolle behalten, was zu erwarten ist, bleibt das Sanktions- und Sabotagepotenzial der USA groß. Nichts ist so förderlich der finanziellen Souveränität wie ein starker analoger Geldverkehr mit Euro-Bargeld. Das ignoriert Berger völlig, wenn er schreibt:„Sollte z.B. Trump es ernst meinen, könnte er mit einem Fingerschnipp dafür sorgen, dass ab jetzt in Europa keine einzige Überweisung, keine einzige Kreditkartenzahlung und kein einziger digitaler Zahlungsvorgang mehr durchgeführt werden kann. Und das wird in Zukunft eher schlimmer als besser.“Richtig. Aber mit Bargeld könnte man weiter bezahlen, egal, was Trump will und macht. Mit einem digitalen System, bei dem immer irgendwo die US-IT-Konzerne die Finger drin haben werden, oder notfalls der Geheimdienst den angezapften Internetknoten in Frankfurt lahmlegt, lässt sich das höchstwahrscheinlich nicht erreichen.Man muss Bargeld nicht verbieten, um es zu beseitigen, wie Berger zu meinen scheint. Es genügt, es durch feindselige Regulierung und Konkurrenz durch den digitalen Euro so weit zurückzudrängen, dass es in einen finalen Abwärtsstrudel aus steigenden Kosten der Bargeldinfrastruktur je Zahlung, sinkender Annahmebereitschaft, sinkender Bargeldnutzung und weiter steigenden Kosten gerät. Hansjörg Stützle erläutert das sehr verständlich und präzise in einem Video, in dem er den Unsinn auseinander nimmt, den ein zuständiger EU-Parlamentarier der Öffentlichkeit über die geplante EU-Bargeldverordnung und die geplante Verordnung zum digitalen Euro erzählt.Dass es in die Richtung gehen soll, scheint ziemlich offensichtlich. Kommission und EZB planen einen Offline-Euro, der so ausgestaltet ist, dass er dem Bargeld dort, wo es noch stark ist, im Laden, maximal Konkurrenz machen kann. Euro-Bargeld soll auch nicht durch eine wirksame Annahmeverpflichtung geschützt werden, der digitale Euro schon. Viel deutlicher kann man es kaum machen. Der finanziellen Souveränität (und Krisenfestigkeit) Europas leistete man damit einen Bärendienst.Das sind die beiden (verbundenen) Hauptaspekte, die dafür verantwortlich sind, dass Berger einen (idealisierten) digitalen Euro positiv bewertet, während ich zu einem klar negativen Urteil komme.Einen dritten will ich aber auch noch erwähnen, weil er nicht ganz unwichtig ist. EZB und Kommission haben zwar versprochen, dass der digitale Euro nicht programmierbar sein soll. Das beziehen sie aber nur darauf, dass kein zeitliches Verfallsdatum oder Begrenzungen einprogrammierbar sein sollen, wo und was man damit einkaufen kann. Sie wollen aber ausdrücklich fördern, dass die privaten Finanzinstitute und Zahlungsdienstleister auf ihrer Ebene programmgesteuerte Zahlungen mit dem digitalen Euro ermöglichen. Damit wird dann wieder so ziemlich alles möglich, was man sich in Sachen paternalistischer Gängelung so vorstellen kann.Eine frühe Anwendung dieser Art wäre vielleicht, das Bezahlen von Waren und Dienstleistungen durch Minderjährige automatisch zu unterbinden, wenn für diese Altersbeschränkungen vorliegen. Ein individualisiertes CO2-Budget wäre vielleicht nicht allzu weit weg. Ab da sind dann der Fantasie wenig Grenzen gesetzt. Das geht, zugegeben, auch mit heutigen digitalen Zahlungen. Aber solange das Bargeld noch nicht verdrängt ist, funktioniert das nicht so gut.MehrMeine wichtigsten Beiträge zu Bargeld und digitalem Euro