Gegen „Blitz, Hagel und jedes Unheil“: Der Wettersegen

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Der Schornstein ist abgebrochen, das Terrassenfenster zersplittert, die Obstbäume umgeknickt wie Streichhölzer. Das Trampolin wurde aus der Verankerung gerissen und übers Grundstück geschleudert, scharfkantige Dachziegel- und Eternit-Splitter liegen überall verstreut, stecken Skalpellen gleich sogar in der Fassadendämmung. Die junge Familie, die ihr Haus inspiziert, ist fassungslos. Das Amateurvideo dokumentiert die Spuren eines Tornados im Frühjahr 2024. Aufgenommen wurde es nicht irgendwo in den USA, sondern in Wackersberg, einem Ortsteil von Berching. Extremwetterereignisse nehmen in beunruhigendem Maße zu. Gott „halte Blitz, Hagel und jedes Unheil von euch fern“, diese Worte aus dem Wettersegen sind heutzutage alles andere als eine überholte, fromme Floskel. Zur Bitte um gedeihliches Wetter und Wachstum der Saaten und Feldfrüchte kommt heute auch die Sorge um die Bewahrung der Schöpfung und der Appell, durch nachhaltiges Handeln Treibhausgas-Emissionen und damit die Erderwärmung zu verringern.„Den Herrgott nicht überstrapazieren“„Es geht um unsere Lebensgewohnheiten“, meint etwa Pfarrer Alois Spies, Leiter des Pfarrverbandes Böhmfeld-Hitzhofen-Hofstetten. Er stammt selbst von einem Bauernhof, ist als Bub schon auf dem Bulldog unterwegs gewesen und weiß, wie sehr die Landwirte auf gute Witterungsbedingungen angewiesen sind, wie bitter es ist, wenn ein Unwetter die Ernte verhagelt. Was extremer Niederschlag anrichten kann, musste er aber auch schon in seinem Pfarrverband erfahren: Vergangenes Jahr sei der Keller des Hitzhofener Kindergartens überschwemmt worden, berichtet der Seelsorger und beschreibt das beklemmende Gefühl, „wenn man sieht, wie das Wasser kommt und nichts tun kann“. Richtig Angst wurde ihm auch, als einmal kurz vor Fronleichnam ein schlimmes Unwetter aufzog und das Dach der Lippertshofener Pfarrkirche sanierungsbedingt nur mit einer Plane abgedeckt war.Auf der anderen Seite gebe es Phasen extremer Trockenheit, stellt er bei seinen regelmäßigen Arbeitseinsätzen im Kirchenwald fest. Angesichts solcher Klima-Kapriolen werde der Wettersegen auch von Gläubigen im 21. Jahrhundert geschätzt, meint Spies. Und doch dürfe man den Herrgott „nicht überstrapazieren“ und sich nicht komplett auf ihn verlassen, sondern müsse auch selbst einen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten. Mit Magie habe der Wettersegen überhaupt nichts zu tun, meint der Geistliche, für den das eigentliche Wunder die Natur selbst ist. Seinen Pfarrgarten hat er in ein grünes Paradies verwandelt, in dem er Kartoffeln ebenso wie Kiwis erntet und auf natürliche Schädlingsbekämpfung setzt.Rituale gegen die AngstDass der Wettersegen auch das Unkraut gut wachsen lässt, stellt Pfarrer Roland Klein augenzwinkernd fest. Gerade komme er aus seinem Pfarrgarten, berichtet der Geistliche, der auch Diözesan-Landvolkpfarrer ist. Sein Pfarrhaus steht in Pommelsbrunn in der Hersbrucker Schweiz. In dieser hügeligen Region seien die Gewitter gefürchtet, erzählt er. Es gebe zahlreiche Bäche und Flüsse, die sich bei Starkregen im Nu in reißende Ströme verwandeln können. Auf den Wettersegen, so Klein, legten die Gläubigen auch in den von ihm betreuten Diasporagemeinden noch Wert, „auch, weil es zur Kirchenkultur dazugehört“. Jahrhundertelang hätten die Menschen an die Kraft des Wettersegens geglaubt. Auch, dass sie bei Unwettern schwarze Kerzen anzündeten, habe seinen Sinn gehabt, „um die Angst in den Griff zu bekommen“.