Der älteste Eiskern Europas schreibt die Klimageschichte neu

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Eiskerne aus Gletschern und den Polregionen bieten einen tiefen Einblick in das Klima vergangener Zeiten. So auch ein mindestens 12.000 Jahre alter Eiskern vom Mont Blanc in den Schweizer Alpen. Welche Einblicke bietet uns dieser? Können die gewonnenen Daten dabei helfen, die klimatischen Veränderungen der Erde besser zu verstehen?Eiskerne aus den Tiefen der Gletscher sind wie eine Art Zeitmaschine. Sie bieten uns Einblicke über die klimatischen Verhältnisse längst vergangener Zeiten – und sogar auch Hinweise über frühe menschliche Aktivitäten. So auch der kürzlich in den Schweizer Alpen, beim Mont Blanc, extrahierte Eiskern. Dieser ist rund 12.000 Jahre alt und bietet uns interessante Informationen darüber, wie es in Europa zu dieser Zeit ausgesehen haben mag. Die Studienergebnisse wurden unter dem Titel “Alpine ice core record of large changes in dust, sea-salt, and biogenic aerosol over Europe during deglaciation” im renommierten Journal PNAS Nexus der Oxford University veröffentlicht.Die geborgene natürliche Zeitkapsel der Erdgeschichte beinhaltet nämlich Spuren von Staub, Pollen und Aerosolen, die sich damals dort verbreitet haben. Sie helfen den Forschern, zu untersuchen, wie sich die Atmosphäre und die Ökosysteme des Planeten über Tausende von Jahren verändert haben. Der insgesamt vierzig Meter lange Eiskern vom Mont Blanc enthält dabei die Geschichte von mindestens zwölf Jahrtausenden – und stellt das älteste Gletschereis dar, welches in diesem Teil Europa jemals identifiziert wurde.Die Forscher wollen diese Eisschichten auch deshalb umfassend untersuchen, um bestehende Klimamodelle zu verfeinern. Insbesondere die Aerosole – also beispielsweise Meersalz, Wüstensand, Schwefel von Vulkanen, Rauch von Waldbränden oder auch Schadstoffe aus menschlichen Aktivitäten – spielen dabei eine tragende Rolle.Jahrtausende in vierzig Metern Eis“Zum ersten Mal haben wir eine ziemlich vollständige alpine Aufzeichnung der atmosphärischen und Niederschlagschemie, die bis in die mesolithische Zeit zurückreicht”, sagte Joe McConnell, Direktor des DRI Ice Core Lab und Mitautor der Studie. “Und das ist bedeutsam, weil man zwei große Klimazustände hat – glazial und interglazial – und eine Aufzeichnung der atmosphärischen Niederschlagschemie über diesen riesigen Klimawandel hinweg zeigt die extremsten natürlichen Aerosolkonzentrationen, die man erwarten würde.”Man erlebe, “wie der Mensch vom Jäger und Sammler mit sehr geringer Bevölkerungszahl über die Entwicklung der Landwirtschaft, die Domestizierung von Tieren, den Bergbau usw. zu einem massiven Bevölkerungswachstum und der Rodung von Land übergeht. All das geschieht rund um diesen Eiskern. Er umfasst die gesamte Bandbreite natürlicher und anthropogener Veränderungen und liegt mitten in Europa, wo sich ein Großteil der westlichen Zivilisation entwickelt hat”, so McConnell weiter.Für die Wissenschaftler sind solche Eiskernproben aus Mitteleuropa besonders wichtig, weil sie einen besseren Einblick in das lokale Klima bietet als jene, die man in der Arktis findet. “Eiskerne, die von Gletschern und Eisschilden entnommen werden, können solche Informationen liefern, aber da diese Tröpfchen und Partikel nur wenige Tage bis vielleicht eine Woche in der Luft bleiben, sind Aufzeichnungen von Gletschern in der Nähe der Quellen oft am aufschlussreichsten”, erklärte Hauptautor Michel Legrand.Entnommen wurde der Eiskern bereits im Jahr 1999 und in der Zwischenzeit in Frankreich gelagert, bevor man ihn ins DRI Ice Core Lab nach Nevada brachte und untersuchte. Dieses Labor verfügt über spezielle Geräte, welche die Forscher in Frankreich nicht haben und die Methode der sogenannten “Continuous Flow Analysis” ermöglichen. Damit lässt sich der Eiskern Schicht für Schicht schmelzen und analysieren.Symbolbild Eiskernschichten (C) Report24/KIEine Analyse der EisschichtenDie Eisschichten zeigen demnach einen Temperaturunterschied von etwa 3 Grad Celsius zwischen der letzten Eiszeit und dem heutigen Holozän. Mithilfe von im Eis eingebetteten Pollenaufzeichnungen ergaben Rekonstruktionen der Sommertemperaturen während der letzten Eiszeit etwa 2 Grad Celsius kühlere Bedingungen in Westeuropa und etwa 3,5 Grad Celsius kühlere Bedingungen in den Alpen.Ähnlich interessant zeigt sich die Veränderung des Phosphorgehalts in den einzelnen Schichten, welche während der Eiszeit niedrig waren, danach infolge der Ausbreitung von Wäldern stark anstiegen – nur um dann im Zuge der Ausbreitung des Menschen samt der Rodung der Wälder und der Ausweitung der Landwirtschaft wieder zu sinken. Ebenso zeigen die Meersalzablagerungen, dass es früher deutlich stärkere Westwinde vor der Küste Westeuropas gegeben haben muss.Auch zeigen die Daten, dass während der letzten Eiszeit, vor dem Übergang ins Holozän, die Staubkonzentration in der Atmosphäre rund acht mal so hoch war als danach. Mehr Staub heißt auch mehr Wolken und damit mehr Rückstrahlung von Sonnenwärme ins All, sowie größere Niederschlagsmengen. Früher ging man davon aus, dass sich die Staubmenge nur etwa im Bereich des Doppelten bewegt habe. Verantwortlich dafür sei das trockenere Klima im Mittelmeerraum gewesen, so dass mehr Saharastaub nach Europa geblasen worden sei.Und wer weiß, vielleicht kann dieser Eiskern auch dazu beitragen, die allgemeine Klimahysterie einzudämmen, indem mehr verlässliche Variablen in die Klimamodelle eingebaut werden, anstatt sich wie bisher auf irgendwelche schwammigen Hypothesen zu verlassen. Die bislang gewonnenen Erkenntnisse haben jedenfalls schon dazu geführt, dass einige der bisherigen Annahmen – wie z.B. in Sachen Staub in der Atmosphäre – revidiert werden müssen.