Der weltweite Ausfall des US-Dienstleisters Cloudflare am gestrigen Dienstag hat eindrücklich gezeigt, wie stark einzelne Dienste inzwischen das Funktionieren großer Teile des Internets bestimmen. X, ChatGPT, zahllose Websites und News-Portale (inklusive Report24) und selbst Störungsmeldeseiten waren über Stunden kaum erreichbar.Websites, Kommunikationsplattformen und (KI-)Dienste weltweit warfen gestern reihenweise Fehlermeldungen aus. Der Grund: Ein Problem beim IT-Sicherheitsunternehmen Cloudflare – einem inzwischen essenziellen Baustein der Web-Infrastruktur. Rund 20 Prozent des weltweiten Datenverkehrs laufen nach eigenen Angaben über diese Systeme. Analysten beziffern den Anteil der weltweit bedeutendsten Websites, die direkt oder indirekt auf Cloudflare angewiesen sind, sogar auf rund ein Drittel. Entsprechend weitreichend fallen die Folgen derartiger Ausfälle aus.Cloudflare dient vor allem der Sicherheit, soll das Internet aber auch schneller machen, indem es den Ladevorgang von Websites durch Cache-Lösungen effizienter macht. Das Unternehmen befindet sich seit der Gründung 2009 im rasanten Wachstum. Für 2025 wird insgesamt ein Umsatz von mehr als 2,1 Milliarden Dollar erwartet.Gegen 15:30 Uhr meldete das Unternehmen am gestrigen Dienstag, das Problem sei „gelöst“, räumte jedoch weiterhin Fehlermeldungen ein. Es soll sich um eine Störung im Zusammenhang mit Routinearbeiten gehandelt haben, nicht um einen Hacking-Angriff. Der Technologievorstand des Konzerns entschuldigte sich öffentlich: „Ich sage ohne Umschweife: Wir sind heute unseren Kunden und dem Internet im Allgemeinen nicht gerecht geworden.“ Sowohl die Störung selbst als auch die lange Reparaturzeit seien inakzeptabel gewesen.Massive ZentralisierungDass ein einzelnes Unternehmen derartige Kaskadeneffekte auslösen kann, wirft freilich Fragen zur grundlegenden Struktur des heutigen Internets auf. Das Internet war einmal als dezentraler Gegenentwurf zu den großen Konzentrations- und Machtstrukturen gedacht – ein Netzwerk, das auch dann weiterfunktioniert, wenn einzelne Knoten ausfallen. Was wir heute erleben, ist das Gegenteil: eine immer stärkere Zentralisierung bei wenigen globalen Infrastrukturbetreibern, die ganze Branchen auf sich vereinen. Cloudflare, Amazon Web Services, Google Cloud, Microsoft Azure, sie und andere sind zu unsichtbaren Rückgraten geworden, von denen wir im digitalisierten Alltag verstärkt abhängig sind. Schon in der Vergangenheit zeigten Ausfälle von Cloudflare oder auch Amazons Clouddienst AWS, wie schnell die gewohnten Kommunikationswege infolge von Störungen wegbrechen können: Messengerdienste, Videochatanbieter oder soziale Netzwerke sind dann plötzlich nicht mehr erreichbar. 2019 legte ein Cloudflare-Problem nicht nur Tausende von Websites weltweit vorübergehend lahm, sondern auch Dienste wie Discord, Shopify, Soundcloud, Dropbox und die Bitcoin-Handelsplattform Coinbase.Dezentralisierung ist allerdings unbequem. Sicherheit und Effizienz sind in heutigen Zeiten Grundvoraussetzungen – und naturgemäß setzt man vorzugsweise auf den Marktführer, der das meiste Vertrauen genießt, und unterstützt damit freiwillig oder unfreiwillig die Entwicklung eines De-facto-Monopols. Diversifikation fordern ist einfach, doch kleinere IT-Anbieter haben es schwer, gegen die Big Player zu bestehen und ein ähnlich starkes (und kosteneffizientes) Angebot aufzubauen. Und wer mit seinem Dienst auf bestmögliche Erreichbarkeit angewiesen ist, hat keine Ressourcen, um mit unerfahrenen, potenziell unzuverlässigeren Anbietern oder Neulingen am Markt zu experimentieren. Cloudflare selbst soll für den gestrigen Ausfall verantwortlich gewesen sein, doch auch die Gefahr von Hacking-Angriffen ist real. Dass Unternehmen und Dienstleister allein schon zum Schutz vor Cyberattacken auf das stärkste Pferd setzen, ist logisch. Wie abhängig und vulnerabel wollen wir werden?Zumindest als Gesellschaft kann man sich anhand solcher Ausfälle allerdings gut überlegen, in welcher Welt man zukünftig leben und wie abhängig man sich von störanfälligen Technologien machen möchte. Man muss nicht einmal in die Zukunft blicken, um die Probleme zu sehen: Selbst das eigene Zuhause wird zunehmend digitalisiert. Vernetzte Haushaltsgeräte, Heizungen, Alarmanlagen, smarte Türschlösser, all das kann im Ernstfall nur so zuverlässig sein wie die Dienste, die im Hintergrund arbeiten. Inzwischen gibt es sogar “smarte” Matratzen mit App-Steuerung. Beim letzten Amazon-AWS-Ausfall waren auch sie betroffen: Besitzer dieser fragwürdigen Erfindung jammerten über überhitzte Betten oder beklagten, dass die Matratzen durch die AWS-Störung in unmöglichen Positionen hängenblieben, in denen man nicht schlafen konnte. Wer will nicht von der eigenen Matratze gegrillt werden, weil ein Cloudservice muckt? Und wenn wir weiterdenken? Wenn früher oder später ein digitaler Euro das Bargeld ersetzen soll, hängt die Fähigkeit zu bezahlen an Servern, Zertifikaten und Netzwerken, die außerhalb unserer Kontrolle liegen. Ausfälle und Cyberangriffe führen hier zwangsweise zum Kollaps. Dass feindliche Mächte (und die EU ist wahrlich nicht für ihren Friedenskurs bekannt) das für sich nutzen wollen werden, steht wohl außer Frage.