Die Welt der Worte erobern - Vorlesen in Pfarrbüchereien

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Die Gutenachtgeschichte vor dem Einschlafen, die Märchenbuch-Stunden bei Oma und Opa, das sind schöne, aber nicht selbstverständliche Erfahrungen für Kinder. Denn, so ergab der Vorlesemonitor 2024, in jeder dritten Familie wird nicht oder nur selten vorgelesen. Der Monitor, eine Umfrage unter Eltern von ein- bis achtjährigen Kindern, begleitet seit fast 20 Jahren den bundesweiten Vorlesetag, der alljährlich am dritten Freitag im November stattfindet. Zu den Mitveranstaltern gehört die Stiftung Lesen, zu deren Mitgliedern wiederum die Deutsche Bischofskonferenz. Sie sieht den Vorlesetag auch als gute Gelegenheit, die Bedeutung kirchlicher Büchereiarbeit in Sachen Lesekompetenz in den Blick zu rücken. So wie in ganz Deutschland beteiligen sich auch im Bistum Eichstätt viele Pfarr- und Gemeindebüchereien an dem Aktionstag.Vorlesen aus Überzeugung„Da sind die Büchereileute ganz rührig“, lobt Diözesanbibliothekarin Martha Gottschalk die ehrenamtlichen Teams. „Viele Büchereien bieten im Winterhalbjahr ohnehin einen Vorlesenachmittag oder ein Bilderbuchkino an.“ Analoges, sinnerfassendes Lesen bleibe trotz voranschreitender Digitalisierung wichtig, ist Gottschalk überzeugt, ob es nun um das Kleingedruckte im Versicherungsvertrag gehe oder eben um das Vorlesen eines Kinderbuchs. „Der Mensch ist im Unterschied zur KI ein phantasiebegabtes Wesen. Und gerade durch stehende Bilder wird die Phantasie angeregt“. An einem Kind, das allein vor dem Bildschirm sitze, ziehe eine Szene schnell vorbei. Beim Vorlesen dagegen sei „ein Gegenüber“ zum Nachfragen da. Wenn regelmäßig spannender Lesestoff aus der Bücherei geholt werde, trainierten die Kinder nicht nur Konzentration und Sprachentwicklung, sondern lernten zugleich auch Rücksichtnahme: „Das ist nicht mein eigenes Buch, sondern nur geliehen. Ich muss drauf achtgeben.“Kürzlich hat die Diözesanbibliothekarin in der Pfarr- und Gemeindebücherei Berngau vorbeigeschaut, als deren 40-jähriges Bestehen in Anwesenheit des Neumarkter Landrats gefeiert wurde. Dieser, erzählt Gottschalk, habe sich auch gleich als begeisterter Vorlese-Großvater geoutet. Auch die ehrenamtliche Büchereileiterin Monika Lorek ist Vorleserin aus Überzeugung. Früher kamen ihre drei Kinder in den Genuss, heute die Enkel. Seit 27 Jahren engagiert sie sich in ihrer Bücherei, bei der sich zum diesjährigen Vorlesetag eine Grundschulklasse angemeldet hat. Vielen der Mädchen und Buben ist der Bibliotheks-Besuch schon vertraut. „Zu uns kommen ganz viele Eltern mit kleinen Kindern“, berichtet Lorek. Seit dem im vergangenen Jahr vollzogenen Umzug in neue Räume „kann man sogar mit dem Kinderwagen reinfahren, es ist alles barrierefrei“. Was der Leiterin eines 19-köpfigen Teams auffällt: „Es kommen viel mehr Väter mit als früher. Das ist schön.“Wenn daheim niemand liestAuch Monika Bast, Leiterin der Pfarr- und Stadtbücherei Ornbau, freut sich über junge Kundschaft wie etwa letztens den leicht verzweifelten jungen Vater, dessen Kind zum x-ten Mal hintereinander dasselbe Bilderbuch ausleihen wollte. Viele Familien aus dem Neubaugebiet nutzten das Angebot der Bücherei und kämen sonntags vorbei, gibt sie Auskunft. Neben den regulären Öffnungszeiten sind einmal im Monat 85 Grundschüler zu Gast und werden ans Lesen herangeführt, auch wenn es im Elternhaus nicht vorgelebt wird. „Es darf nicht sein, dass der Bildungserwerb abhängig davon ist, ob die eigenen Eltern unterstützen können“, heißt es in der Auswertung zum Vorlesemonitor 2024. „Freiwillig Engagierte können hier einspringen und mit ihrem Einsatz einen echten Unterschied machen.“Bast, von Beruf Religionspädagogin, hat schon 1983 als Jugendliche angefangen, sich ehrenamtlich in der Ornbauer Bücherei zu engagieren. Vorleseaktionen habe es damals noch nicht gegeben, „man hat sich gar nicht hinsetzen können“. Aber allmählich, ermutigt von Impulsen des Dachverbands St. Michaelsbund, seien Büchereien auch zu Aufenthaltsorten geworden. Nach dem Umzug in neue Räumlichkeiten wurde es in Ornbau gemütlich: „Wir haben Sofas und Decken gekauft und Sitz-Podeste aufgestellt“, erzählt Bast. Große Kisten wurden zu kuscheligen „Lesebooten“ für Kinder umfunktioniert.In den Sommerferien hingegen wird der ganze Ort zur Lese-Lounge: In Etappen, an verschiedenen Schauplätzen, lesen Mitglieder des Büchereiteams heimische Sagen oder Märchen. In der Vorweihnachtszeit kommt das Ornbauer Christkind zum Vorlesen in die Bücherei und auch den jungen Bürgermeister hat Bast im Visier: Der sei Hobbyschlagzeuger und Fan von AC/DC, weiß die Büchereileiterin. Als sie dann tatsächlich bei den Jahreskursen des St. Michaelsbunds im diözesanen Bildungshaus Schloss Hirschberg ein Kinderbuch über Rockmusik fand, „da hab‘ ich ihm gleich ein Foto geschickt. Logisch, meinte er, er komme vorbei.“