Fall Pilnacek: Gerichtsmediziner widerspricht Annahmen von Peter Pilz

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Die Umstände um den Tod von Christian Pilnacek werfen weiterhin Fragen auf: Daran hat auch die Dokumentation von ServusTV, auf die die Reaktionen gemischt ausfielen, nichts geändert. Interessanterweise widersprechen sowohl ein beauftragter Gutachter als auch ein Gerichtsmediziner der Theorie einer Tötung des ehemaligen Justiz-Sektionschefs. Der Fall bleibt rätselhaft – und das öffentliche Interesse hoch. Die FPÖ hat einen U-Ausschuss zur “Klärung politischer Einflussnahme auf Ermittlungen in der Causa Pilnacek” auf den Weg gebracht. Der folgende Artikel erschien zuerst bei exxtra24.at:Peter Gabriel, Leiter des rechtsmedizinischen Institutes in Duisburg, widerspricht Behauptungen, wonach Christian Pilnacek getötet worden sei. Gabriel kennt nicht nur den offiziellen Obduktionsbericht, sondern weiß auch, wie die Leiche des ehemaligen Justiz-Sektionschefs ausgesehen hat.Die brisanten Fotos wurden Gabriel von „Servus TV“ legal zur Verfügung gestellt. In einer 90-minütigen Doku ging der Privatsender am Donnerstag der Frage nach, ob Christian Pilnacek – wie vom ehemaligen Nationalratsabgeordneten Peter Pilz behauptet – in der Nacht auf den 20. Oktober 2023 umgebracht wurde. In dieser Deutlichkeit vertritt neben Pilz nur Karin Wurm diese Theorie. Sie war kurze Zeit die Freundin des Sektionschefs, hat sich in den vergangenen Monaten jedoch immer öfter in Widersprüche verwickelt und wird mittlerweile in zwei Strafverfahren als Beschuldigte geführt.Peter Pilz‘ TheseMit seinen Behauptungen brachte Pilz viel Unruhe in den Fall. In seinem Buch, das er zur Causa Pilnacek geschrieben hat, erhebt er schwere Vorwürfe, spricht von einem „Datenputztrupp der ÖVP“ oder einer „türkisen Polizeikette“. Auch in der Doku auf „Servus TV“ kommt er ausführlich zu Wort und behauptet:„Ich lebe doch nicht in einem Land, wo man möglicherweise einen Sektionschef umbringen kann und dann wird nicht einmal sauber ermittelt.“In der Vorstellung von Pilz traf sich Christian Pilnacek in den frühen Morgenstunden des 20. Oktober 2023 noch mit jemandem – es kam zum Streit und der Sektionschef wurde getötet.Zwei Gutachter beauftragtUm seine These zu stützen, beauftragte Pilz zwei Privatgutachter: Stefano Longato aus Innsbruck und Michael Tsokos aus Berlin. „Wir wissen aufgrund der neuen Gutachten, dass es mit größter Wahrscheinlichkeit ein Tötungsdelikt war. Wir müssen davon ausgehen, dass Christian Pilnacek getötet worden ist“, erklärt Pilz auf „Servus TV“. Ein Schluss, der durchaus bemerkenswert ist, denn keiner der beiden Gerichtsmediziner bekam die Leichenfotos zu Gesicht. Und: Stefano Longato verneint sogar ein Tötungsdelikt. In dem zwölfseitigen Privatgutachten, das „exxtra24.at“ vorliegt, schreibt Longato: „In Harmonie mit den Ausführungen des Obduzenten Dr. Matzenauer ergeben sich aus den (mir nur schriftlich vorliegenden) Feststellungen bei der Obduktion des PILNACEK keine Hinweise auf grobe Gewalteinwirkung durch fremde Hand.“ Damit bestätigt Longato die Kernaussage des von der Staatsanwaltschaft Krems offiziell beauftragten Gerichtsmediziners Christoph Matzenauer, nämlich, dass Christian Pilnacek ertrunken ist. Einzige Abweichung: Longato geht nicht von einem Suizid, sondern von einem Unfall aus.„Zwölf Zentimeter Durchmesser großes Loch“Nach Ausstrahlung des 90-minütigen Films auf „Servus TV“ erscheinen aber auch andere Behauptungen des ehemaligen grünen Nationalratsabgeordneten in einem anderen Licht. Laut Pilz hätte Pilnacek „Verletzungen auf dem Kopf, Hals, Armen, Beinen, Brust, Rücken“ gehabt. Karin Wurm – sie hatte Zugang zu den Leichenfotos – spricht überhaupt von „schwersten Verletzungen“, „Einblutungen am ganzen Körper“, und einem „zwölf Zentimeter Durchmesser großen Loch“, wobei es ihr in dem Interviewausschnitt sichtlich schwerfällt, sich daran zu erinnern, ob es die rechte oder linke Seite des hinteren Oberschenkels war. Wurms Fazit, nachdem sie die Fotos gesehen hatte: „Es hat ausgesehen, wie wenn sie die Wahrheit aus ihm rausprügeln möchten. Da waren Schläger am Werk, wenn Sie mich fragen.“Keine relevanten VerletzungenDer Leiter der Rechtsmedizin in Duisburg, Peter Gabriel, sagt zum behaupteten Schweregrad der Verletzungen: „Das sind allesamt Bagatellverletzungen. Keine Verletzung, die da vorgelegen hat, ist geeignet, den Tod zu erklären. Aber die Verletzungen sind auch nicht einmal geeignet, eine Bewusstlosigkeit zu erklären.“ Zur Seriosität der von Pilz in Auftrag gegebenen Privatgutachten sagt Gabriel:„Ich denke, wenn man seriös etwas begutachten will, dann muss man auch die vollständigen Unterlagen haben. Das ist ganz wichtig, da muss man auch Lichtbilder haben von der Obduktion, von den Verletzungen am Leichnam, sonst kann man die Verletzungen und deren Schwere nicht richtig beurteilen.“Das Privatgutachten von Michael Tsokos – er leitete bis 2023 die Gerichtsmedizin an der Berliner Charité und bezweifelte in der Vergangenheit auch, dass Whitney Houston und Kurt Cobain ohne Fremdverschulden starben – ist bislang nur auszugsweise bekannt. Hingegen liegt exxtra24.at die schriftliche Stellungnahme des Wiener Unfallchirurgen Wolfgang Schaden an die Staatsanwaltschaft Krems vor. Neben Longato und Tsokos bemüht Pilz auch die „Expertise“ von Schaden, um seine Theorien zu untermauern. Wie Schaden selbst schreibt, habe er jedoch nur seine Meinung abgegeben und kein Gutachten erstattet. Außerdem hält er gegenüber der Staatsanwaltschaft Krems fest:„Ich bin Unfallchirurg mit mehr als 30-jähriger Berufserfahrung, aber kein gerichtlich beeideter Gutachter. Dr. Peter Pilz ist seit Jahren mein Patient, wodurch sich auch eine persönliche Beziehung entwickelte.“Pilz, der seine kriminalistischen Kenntnisse im Rahmen der „Servus TV“-Dokumentation mehrmals auf den Konsum der Krimi-Serie „Tatort“ zurückführte, blieb der Zugang zu den brisanten Leichenfotos bislang verwehrt. Aber auch sonst muss er sich der Expertise von Peter Gabriel beugen, etwa rund um die Hirnschwellung von Christian Pilnacek. Während Pilz eine solche auf „ein Schädel-Hirn-Trauma als Folge einer schweren Kopfverletzung“ zurückführt, sagt Gabriel: „Eine Hirnschwellung ist ein typisches Zeichen für einen SauerstoEmangel und bei einem Ertrinken kommt es eben zu einem akuten SauerstoEmangel der Gehirns und dadurch erklärt sich die Hirnschwellung.“ Gefragt nach einer möglichen Gewalteinwirkung von außen, sagt Gabriel: „Da gibt es keine Hinweise dafür.“Durch Ertrinken zu Tode gekommenGabriel berichtet nicht nur über typische Ertrinkungsbefunde (Überblähung der Lunge, dreigeschichteter Mageninhalt etc.) und umfangreiche Untersuchungen, die im Rahmen der Obduktion durchgeführt wurden, sondern erklärt auch, dass Christian Pilnacek noch gelebt habe, als dieser ins Wasser gelangte: „Das heißt, Herr Pilnacek ist durch das Ertrinken zu Tode gekommen.“ Hinweise darauf, dass er unter Wasser gedrückt worden wäre, gebe es nicht: „Wenn jemanden Herrn Pilnacek ertränkt haben sollte, dann hätte er mit in der Donau gewesen sein müssen. Alleine vom Ufer aus kann man das nicht. Man hätte mit ihm ins Wasser gemusst, um ihn da zu ertränken. Da hätte er sich dagegen gewehrt, da gibt es keine Anhaltspunkte dafür, keine Verletzungen, die dafür sprechen, dass es zum Kampfgeschehen gekommen ist, dass er sich irgendwie gewehrt hat.“